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Kommunikation zwischen Schule und Eltern

Nachfragen und echtes Interesse zeigen

Prof. Yasemin Karakaşoğlu und Dita Vogel haben die Probleme in der Kommunikation zwischen Schule und Eltern in der Migrationsgesellschaft, aber auch Beispiele guter Praxis untersucht. Das sind die wichtigsten Erkenntnisse.

„Eltern mit Migrationserfahrungen begegnen der Schule häufig mit einem Vertrauensvorschuss. Sie wollen, dass ihre Kinder gute Bildung erhalten.“ (Dita Vogel, Senior Researcher im Arbeitsbereich Interkulturelle Bildung an der Universität Bremen / Foto: Annemarie Popp, Universität Bremen)
  • E&W: Was sind die Voraussetzungen für eine gelingende Kommunikation zwischen Schule und Eltern?

Dita Vogel: Grundlegend ist eine offene Haltung gegenüber den Eltern. Es gilt: Nachfragen ist besser als Vermutungen aufzustellen aufgrund irgendwelcher Merkmale. Wenn Lehrkräfte echtes Interesse an den Kindern zeigen, dann stoßen sie bei Eltern in der Regel auf offene Ohren. Wichtig ist es zu zeigen, dass ihre Kinder fraglos zur Schule gehören und die Lehrkräfte sich um sie bemühen. Auch deshalb sollte man sich möglichst früh gegenseitig kennenlernen und Gespräche nicht erst bei Problemen führen.

  • E&W: Wie ist die Perspektive der Eltern?

Vogel: Eltern mit Migrationserfahrungen begegnen der Schule häufig mit einem Vertrauensvorschuss. Sie wollen, dass ihre Kinder gute Bildung erhalten. Insbesondere neu Zugewanderte sind froh, wenn sie ihre Kinder an einem sicheren Bildungsort betreut wissen, um sich selbst um die vielen Dinge kümmern zu können, die sie hier zu bewältigen haben. Häufig wissen sie nicht, wie das deutsche Schulsystem funktioniert oder wie viel Engagement ihrerseits von der Schule erwartet wird. Darüber wünschen vor allem neu zugewanderte Eltern gut verständliche Informationen.

  • E&W: Was stört die Kommunikation zwischen Eltern und Schule?

Vogel: Der Aufbau einer Erziehungs- und Bildungspartnerschaft wird schwierig, wenn Eltern abwertenden Vorurteilen begegnen. Wenn sie beispielsweise im Deutschen nach Wörtern suchen oder einen bestimmten Akzent haben, wird oft angenommen, dass sie weniger gebildet sind. Dabei sagen Akzent und Sprachkenntnisse nichts über ihren Bildungshintergrund aus.

  • E&W: Wo sehen Sie darüber hinaus Probleme?

Vogel: Das hiesige Schulsystem ist noch weitestgehend auf Deutschsprachige ausgerichtet. Zum einen warten geflüchtete Kinder oft lange, bis sie Zugang zu schulischen Angeboten bekommen. Zum anderen werden auch gute Kenntnisse in Familiensprachen nicht so anerkannt wie Fremdsprachen.

Das isekim-Forschungsprojekt identifiziert und analysiert Problematiken der Schule-Eltern-Kommunikation in der Migrationsgesellschaft und erarbeitet mit kooperierenden Sekundarschulen, deren Schulgemeinschaft in besonderem Maße durch Migration geprägt ist, Beispiele guter Praxis. In einem Blog finden Lehrkräfte, Schuladministration sowie Beratungskräfte Informationen und Anschauungsmaterialien wie zum Beispiel ein kurzes Erklärvideo zum deutschen Schulsystem oder ein einfaches Plakat zu transparenten Beschwerdewegen: gew.de/ew-4-25

  • E&W: Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen gehören für viele Eltern und ihre Kinder zum Alltag?

Vogel: Ja. Eltern sind besonders dann alarmiert, wenn ihr Kind ausgegrenzt oder abgewertet wird. Dann wollen sie sofort mit Lehrkräften reden. Die Schule braucht gute Beschwerdewege, die auch für die Eltern transparent sind. Dabei geht es nicht darum, jemanden an den Pranger zu stellen, sondern darum, dass die Erfahrungen ernst genommen werden und Menschen ihr Verhalten ändern können, damit die Schule wieder zu einem guten Ort wird. Das ist eine Aufgabe für die Schulentwicklung.

  • E&W: Beim Thema Mehrsprachigkeit hingegen ist in den vergangenen Jahren viel passiert.

Vogel: Ja. Mehrsprachigkeit wird heute in vielen Schulen symbolisch anerkannt, beispielsweise durch Willkommensgrüße in verschiedenen Sprachen. Auch die Kultusministerien fordern, dass Schulen sprach- und kultursensibel kommunizieren sollen. Die Nutzung einfacher Sprache, der Wechsel ins Englische als gemeinsame Sprache und die Nutzung moderner Übersetzungstools sind gute Möglichkeiten, die häufig erfolgreich genutzt werden.

  • E&W: Das aktuelle gesellschaftliche Klima ist geprägt durch starke Polarisierungen und extreme Stereo-typisierungen. Wie wirkt sich das auf die Schule-Eltern-Kommunikation aus?

Vogel: Wenn die Polarisierung in der Gesellschaft zunimmt, gilt das auch für die Elternschaft und das Kollegium. Dadurch wird die Schule-Eltern-Kommunikation schwieriger, denn in der Schule muss trotz gegensätzlicher Positionen an einer Erziehungs- und Bildungspartnerschaft sowie an einer konstruktiven Schulkultur gearbeitet werden. In dem aktuell gegenüber dem Thema Migration gesellschaftspolitisch aufgeladenen Klima kommt dann auch der Gewerkschaft, die Lehrkräfte durch Beratung und Sachverstand unterstützt, eine wichtige Rolle zu.