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Gastkommentar

Mut zur Innovation

In Kita, Schule und Jugendhilfe liegen Zukunftsberufe. Statt die Kernberufe in der Ausbildung immer weiter mit zusätzlichen Inhalten zu überfrachten, braucht es aber eine neue Verständigung über Qualitätsstandards.

Anke König (Foto: Deutsches Jugendinstitut e.V. München)

Der Fachkräftemangel in Kita, Schule und Jugendhilfe ist nicht neu. Seit Jahren wird das Thema diskutiert und darüber gern der Kern des Problems vergessen: die fehlende Innovation. Bekanntlich steigt die Bedeutung der Dienstleistungsberufe seit Jahrzehnten. Dies gilt auch für den pädagogischen Bereich. Der Mangel an pädagogischen Fachkräften heißt dabei aber nicht, dass weniger Menschen entsprechende Berufe ergreifen wollen – das Gegenteil ist der Fall: Diese Arbeitsfelder verzeichnen einen auffallend hohen und weiter wachsenden Zulauf – aber auch viel Abwanderung. Der Mangel ist vielfach selbstgemacht und berührt wesentliche strukturelle Fragen.

Kita, Schule und Jugendhilfe sind tief verwurzelt in ihren historischen Entwicklungslinien. Flache Qualifikationsprofile, die einen vielfältigen Einsatz suggerieren und zugleich – in Zeiten des Mangels – eine einfache Öffnung des Berufs in der Breite ermöglichen, sind zum Problem geworden. Die tatsächliche Bedeutung der Kernberufe wird dabei unter den heutigen komplexen Anforderungen zu wenig hinterfragt.

Besonders tiefgreifend wirken die institutionalisierten Praktiken im Arbeitsfeld Kita. Statt neuere Forschungsergebnisse und Erkenntniszuwachs für eine inhaltliche und strukturelle Modernisierung des Berufsfelds zu nutzen, verharren die Diskussionen bei Fragen um die sogenannten Kernberufe. So hat etwa die Flexibilisierung der Erzieherinnenausbildung zu einem Dickicht an Zugangswegen und Ausbildungsstrukturen geführt, ohne eine tatsächliche Reform der Ausbildung voranzutreiben. Nach wie vor ist diese als vollzeitschulische Ausbildung organisiert, das heißt, die Ausbildungsressourcen verbleiben zu 100 Prozent in den Schulen! Das Praxisfeld hat zwar an Bedeutung gewonnen, aber eine strukturelle Stärkung fand nicht statt, etwa durch die Bereitstellung von Finanz- und Zeitressourcen für ausbildungsbegleitende Praxismentorinnen und -mentoren.

Modernisierung sollte darin bestehen, unterschiedliche Berufswege und nicht zuletzt Karriereperspektiven deutlicher zu konnotieren, aber auch darin, ein grundsätzlich neues Verständnis pädagogischer Qualität im multiprofessionellen Team zu entwickeln.

Vielfalt vom Gleichen erzeugt keine Innovation. Die starken Expansionen weisen auf die Sollbruchstellen des Systems hin und erzeugen Unstimmigkeiten in der Kita-Praxis. In Kita, Schule und Jugendhilfe liegen jedoch Zukunftsberufe! Statt die Kernberufe in der Ausbildung immer weiter mit zusätzlichen Inhalten zu überfrachten, sie aufgrund der entsprechend kursorischen Behandlung zugleich aber auch auszuhöhlen, braucht es eine neue Verständigung über Qualitätsstandards. Und weil Bildungs- und Erziehungsberufe Humanberufe sind, gelten diese vor allem im Hinblick auf die Qualität der pädagogischen Beziehungen.

Fachkräfte leisten – nicht erst seit Corona – Enormes. Ins Zentrum der Debatte müssen daher die veränderten Arbeitsbedingungen, die sich ausdifferenzierenden Anforderungen an die Fachkräfte, innovative Unterstützungssysteme und eine klarer differenzierte Vielfalt der Stellenprofile rücken.

Modernisierung sollte darin bestehen, unterschiedliche Berufswege und nicht zuletzt Karriereperspektiven deutlicher zu konnotieren, aber auch darin, ein grundsätzlich neues Verständnis pädagogischer Qualität im multiprofessionellen Team zu entwickeln. Die Handlungsfelder könnten sich auf dieser Grundlage substanziell weiterentwickeln und sich von den formalen Standardregularien emanzipieren, die sich auf die Kernberufe fokussieren. Qualitätssysteme sollten durchgängig und auf der unmittelbaren Akteursebene greifen. Trägern, Leitung und Team kommt dafür eine besondere Verantwortung zu. Ein Perspektivenwechsel in diese Richtung brächte Bewegung in den Arbeitsmarkt. Mit den bestehenden Kernberufen allein wird der Bedarf an Fachkräften nicht zukunftsfähig zu decken sein.