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Geschlechterparität

Mitreden, mitbestimmen, mitgestalten

Die Zusammensetzung von Belegschaften soll sich auch in Personalräten widerspiegeln. Die GEW setzt sich in den Ländern für Gleichberechtigung von Frauen und Männern, jüngeren und erfahrenen Leuten ein – mit unterschiedlichen Erfahrungen.

Eine gleichgestellte Besetzung von Frauen und Männern wird durch die Soll-Bestimmung allein nicht erreicht. (Foto: Pixabay / CC0)

Ricarda Kaiser kennt die Personalvertretung aus dem Effeff: Die 44-Jährige ist stellvertretende Landesvorsitzende der GEW Baden-Württemberg, Kreisvorsitzende in Mannheim und Vorständin im Hauptpersonalrat für Grund-, Haupt-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen sowie Sonderpädagogik – ein Bereich mit fast 70.000 Beschäftigten. Doch mit der paritätischen Besetzung von Personalräten im Ländle ist sie noch längst nicht so zufrieden, wie sie es gern wäre.

„Zwar sind die Gewerkschaften in Baden-Württemberg dazu angehalten, bei Listenaufstellungen den Anteil der Frauen unter den Beschäftigten zu beachten“, erzählt die freigestellte Grund- und Hauptschullehrerin. „Und in den Gremien sind wirklich schon viel mehr Frauen zu finden.“ Aber der Anspruch einer gleichgestellten Besetzung von Frauen und Männern werde durch die Soll-Bestimmung allein nicht erreicht – wie fast überall in Deutschland.

„Frauen bleiben oft lieber in der zweiten Reihe, sie wollen für höhere Ämter mit großer Verantwortung gefragt werden. Und sie wägen immer die Auswirkungen auf ihre Familien ab.“ (Ricarda Kaiser)

In manchen Schulbereichen arbeiteten so viele Frauen, erzählt Kaiser, dass eigentlich 70 bis 80 Prozent Kandidatinnen auf den Listen stehen müssten. Die Realität sieht jedoch oft anders aus. „Es sind immer noch zu viele Männer“, sagt Kaiser. Eine Ursache für das Manko sieht sie nicht zuletzt in klassischen Rollenbildern. „Frauen bleiben oft lieber in der zweiten Reihe, sie wollen für höhere Ämter mit großer Verantwortung gefragt werden. Und sie wägen immer die Auswirkungen auf ihre Familien ab“, sagt die Mutter von drei Kindern. „Männer erklären sich häufig schneller bereit, für wichtige Ämter zu kandidieren.“

Umso mehr arbeitet die GEW in Baden-Württemberg daran, so viele Frauen zu Wahlen aufzustellen, wie es deren Anteil an den Beschäftigten entspricht. Um auch jüngere Lehrerinnen in Verantwortung zu bringen, hat die GEW eine hauseigene Regel geschaffen: Bei Listenaufstellungen soll in jedem Fünfer-Block mindestens eine Person– wenn möglich eine Frau – vertreten sein, die jünger als 35 Jahre ist. Ein Hebel mit Wirkung: Inzwischen sind spürbar mehr junge Frauen in die Personalräte eingezogen. Dabei müsse man allerdings da-rauf achten, die erfahrenen Kolleginnen und Kollegen nicht vor den Kopf zu stoßen, sagt Kaiser.

Altbekanntes Dilemma

Doch auch wenn die Runden weiblicher werden, sind die Vorsitzenden bis heute vor allem Männer. „Wir kämpfen seit Jahren darum, dass zumindest die Stellvertretung oder erweiterte Vorstandsposten von Frauen übernommen werden – aber sie schlagen sich nicht drum“, erzählt die baden-württembergische GEW-Vizechefin. „Dabei wäre es so wichtig: Gerade in einem Beruf, in dem so viele Frauen arbeiten, sollte auch die Vertretung und Repräsentation von ihnen übernommen werden.“ Das habe auch einen pragmatischen Grund: „Über frauenspezifische Themen reden Frauen lieber mit Frauen.“

Frauke Gützkow kennt das Dilemma. Sie leitet im GEW-Vorstand den Bereich Frauenpolitik und treibt die Frauenförderung auch in Personalräten voran. „Mitreden, mitbestimmen, mitgestalten ist die zentrale Aufgabe der Personalräte, um die Interessen der Beschäftigten zu vertreten“, sagt sie. „Das gilt auch bei der Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Frauen und Männern.“ Diese Aufgabe sei ausdrücklich in Personalvertretungsgesetzen geregelt. Daher spreche viel dafür, eine Listenaufstellung nicht einfach laufen zu lassen, sondern deutlich zu machen: Es muss sich ein Querschnitt der Beschäftigten auf den Listen wiederfinden.

„Auf die Mischung kommt es an“, sagt Gützkow. Deshalb sei es gut, dass die Geschlechter per Gesetz entsprechend ihrem Anteil an der Belegschaft im Personalrat vertreten sein sollen – was in der Praxis aber noch zu wenig umgesetzt werde. Und auch beim Alter müsse die Mischung stimmen: „Es braucht immer wieder Neue im Personalrat, damit die Erfahrenen Impulse für die Arbeit bekommen – und damit sich auch Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger gut vertreten fühlen.“

Quotierung in Schleswig-Holstein

Eine Erfolgsformel für die Quotierung hat Schleswig-Holstein gefunden. Bei der Wahl der Personalratsmitglieder gibt es Männer- und Frauenstimmen entsprechend dem Geschlechteranteil in den Beschäftigtengruppen. Alle Wahlberechtigten erhalten nach dem d’hondtschen Verfahren so viele Stimmen, wie es dem Geschlechteranteil entspricht. „Mit diesem Instrument haben wir eine gute Regelung, damit mehr Frauen in die Personalräte kommen“, erläutert Astrid Henke, GEW-Landesvorsitzende in Kiel. Bestes Beispiel: Im Hauptpersonalrat der Lehrkräfte des Landes sind aktuell zwölf der 14 Mitglieder Frauen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die GEW mit neun Mitgliedern die große Mehrheit stellt.

Allerdings läuft auch zwischen Nord- und Ostsee nicht alles glatt: Durch die jeweiligen Wahlentscheidungen kann die Zusammensetzung eines Personalrats immer noch von der quotierten Stimmabgabe abweichen, erklärt Henke. Gerade auf Ebene der örtlichen Personalräte oder in den Kreisen seien Gremien häufig mit mehr Männern besetzt, weil sich nicht genügend Frauen zur Wahl stellen. Zudem würden Männer eher für den Vorsitz kandidieren. „Frauen denken oft, sie schaffen es nicht, weil sie auch die Care-Arbeit zu Hause erledigen“, sagt Henke. „Dabei wäre es umso wichtiger, dass sie ihre Sicht auf Arbeitsbedingungen, Teilzeitmodelle und Vereinbarkeit von Familie und Beruf einbringen.“

Heikle Frage Altersmischung

Bei der heiklen Frage der Altersmischung hat sich die GEW Hamburg seit langem auf den Weg gemacht: mit einer Begrenzung auf zwei Amtsperioden für die Vorsitzenden und die GEW-Mitglieder im Gesamtpersonalrat der allgemeinbildenden Schulen. „So bringen wir immer wieder neue und junge Leute in die Gremien“, erzählt die Landesvorsitzende Anja Bensinger-Stolze. Und da die GEW 78 Prozent der Mitglieder des Gesamtpersonalrats stellt, gibt es auch dort eine gute Mischung. Zudem wurden für die Listenaufstellung Kriterien beschlossen, die eine gleichmäßige Verteilung der Geschlechter sowie der Alters- und der Berufsgruppen zum Ziel haben.

Um genug Kandidatinnen und Kandidaten zu gewinnen, veranstaltet die Hamburger GEW alle zwei Jahre Zukunftswerkstätten. Diese regen Kolleginnen und Kollegen zu neuen Aufgaben in der Gewerkschaft und der Personalvertretung an, zeigen Potenziale auf und bieten Coachings an. „Mit den Werkstätten“, sagt Bensinger-Stolze, „gewinnen wir einen beachtlichen Pool an Leuten. Viele von ihnen finden sich bald in Gremien und Fachgruppen wieder.“