Am Ende der Auszählung aller Abstimmungsergebnisse steht fest: 31,2 Prozent der befragten GEW-Mitglieder wollen den Schlichterspruch annehmen, 68,8 Prozent sprechen sich dagegen aus. Die Diskussion in den vielen Mitgliederversammlungen, die bundesweit abgehalten wurden, war jedoch weitaus differenzierter als dies in einer schlichten Zahl zum Ausdruck kommt.
Die von den Beschäftigten geforderte deutliche Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe ist das nicht, darin sind sich Befürworter und Gegner des Schlichterspruches einig. Während einige Beschäftigtengruppen zumindest vorzeigbare Verbesserungen erfahren - zum Beispiel viele Kita-Leitungen -, gehen andere so gut wie leer aus - wie etwa SozialarbeiterInnen. Das schmerzt, denn es steht in scharfem Kontrast zum großen Gefühl der Solidarität, das diese Streikbewegung getragen hat.
Das Schlichtungsergebnis ist auch ein Ausdruck der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen die Tarifauseinandersetzung stand: Zwar erhielten die streikenden von allen Seiten - bis hin zur Bundesfamilienministerin - viel Zuspruch für ihre Forderungen. Aber handfeste finanzielle Zusagen für die Kommunen, die das Ganze am Ende bezahlen müssen, blieben weiterhin aus. So waren die Verhandlungsführer der Arbeitgeber vor allem dort zu Zugeständnissen bereit, wo sich freie Stellen zu den derzeitigen Konditionen ohnehin nur noch schwer besetzen lassen. Dies wurde von den Beschäftigten zu Recht scharf kritisiert.
Eine umfassende Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe zu erreichen ist das Bohren dicker Bretter. Dazu gehört eine gesellschaftliche Akzeptanz - da hat der Streik viel vorangebracht -, und das kostet viel Geld. Das wussten alle schon vorher. Die phantastische Streikbeteiligung über so viele Wochen jedoch hat insbesondere den Aktiven das Gefühl vermittelt, kurz vor dem Ziel zu stehen. Das Schlichtungsergebnis hat uns eines Besseren belehrt: Wir sind gerade mal einen kleinen Schritt weitergekommen auf dem langen Weg der Aufwertung. Das löst Enttäuschung und Wut aus. Auch das wurde in vielen Mitgliederversammlungen deutlich.
Der wochenlange Streik hat uns viel Selbstvertrauen gegeben, war aber auch ein Kraftakt für Erzieherinnen, Kinder und Eltern. Jetzt gilt es, den Schwung der Streikbewegung zu nutzen, um weiter auf allen Ebenen für die Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe zu kämpfen. Das lässt sich nicht alleine durch eine Tarifauseinandersetzung mit den Kommunen erreichen. Insbesondere der Bund ist jetzt gefordert, über ein Kita-Qualitätsgesetz für bessere Betreuungs- und Fachkräfteschlüssel und bessere Arbeitsbedingungen zu sorgen.
Politische Bewertung erforderlich
Das von der Satzung geforderte Quorum für eine Urabstimmung - mindestens 75 Prozent müssen für den Streik stimmen - wurde klar verfehlt. Gleichzeitig lehnt eine deutliche Mehrheit der Abstimmenden das Verhandlungsergebnis ab. Jetzt müssen die GEW-Gremien das Ergebnis politisch bewerten und das weitere Vorgehen beraten.
Die Mitglieder der GEW-Tarifkommission Bund/Kommunen, selbst mehrheitlich Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst, werden nun kommende Woche abwägen müssen, ob wir durch weitere Streiks am Ende wirklich mehr erreichen. Sie werden das Stimmungsbild aus den Mitgliederversammlungen in die Debatte einbringen. Ende der Woche treffen dann die Verhandlungsdelegationen von Gewerkschaften und Arbeitgebern wieder zusammen.
Mitgliederbefragung abgeschlossen: Enttäuschung, Wut und Realismus
Vier Wochen lang waren die Kolleginnen und Kollegen im Sozial- und Erziehungsdienst aufgerufen, das Ergebnis der Schlichtung zu diskutieren und zu bewerten. Das Ergebnis: Gut zwei von drei Befragten lehnten den Schlichterspruch ab. Nun sind wieder die Gewerkschaftsgremien gefragt.