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Kommentar

Missachtete Kinder

Die Interessen von Kindern und Jugendlichen werden in der Pandemie oft nur am Rande berücksichtigt. Das muss sich ändern.

Tobias Peter (Foto: privat)

Es sagt etwas über den Charakter eines Landes aus, wie es mit den Kindern umgeht. Nach zwei Jahren Corona zeigt sich: In Deutschland sind bei wichtigen politischen Entscheidungen die Interessen von Kindern und Jugendlichen oft höchstens am Rand bedacht – wenn überhaupt.

Das muss sich 2022 dringend ändern! Das Vertrauen einer ganzen Generation in die Politik droht ansonsten dauerhaft beschädigt zu werden. Denn Kinder und Jugendliche haben es früh erlebt, wie Politiker zwar das Richtige erkennen, aber nicht das Notwendige tun.

Nach den ersten Schulschließungen haben die meisten Verantwortlichen zwar verstanden, wie wichtig Präsenzunterricht und das soziale Miteinander im Klassenzimmer sind. Dennoch haben sie es weitgehend versäumt, möglichst sichere Voraussetzungen dafür zu schaffen. Warum sollten viele Kinder eigentlich die Chance, dass Luftfilter bei ihnen in der Schule installiert werden, noch für realistischer halten als die Hoffnung, dass ein Fabelwesen durch das Fenster geflogen kommt und ihnen bei der Mathearbeit hilft?

Gleichzeitig ist klar: Sollten angesichts der Omikron-Variante des Coronavirus erneute Schulschließungen notwendig werden, sind die Schulen bis heute auf den digitalen Unterricht nicht ausreichend eingestellt. Das Geld aus dem Digitalpakt ist nicht schnell genug vor Ort angekommen. Vor allem hat es nie eine echte Lehrerfortbildungsoffensive im digitalen Unterrichten gegeben. Den Preis zahlen alle Schüler – in erster Linie diejenigen, die zu Hause kaum oder gar nicht gefördert werden können. Die in Deutschland ohnehin stark ausgeprägte Bildungsungleichheit wird sich weiter verschärfen.

Kindergrundsicherung angekündigt

Das Problem reicht weit über Corona hinaus. Der Grundfehler ist, dass in unserem Land wenig zuerst aus der Perspektive der Kinder gedacht wird. Die neue Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP hat angekündigt, in der Politik für Kinder und Jugendliche grundlegend etwas ändern zu wollen. Im Jahr 2022 muss sie liefern.

Das Vorhaben, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern, ist auch symbolisch wichtig. Darüber hinaus muss es aber handfeste Verbesserungen geben. Dabei geht es sowohl um die Kinder aus Familien der unteren Mittelschicht, in denen oft beide Eltern arbeiten, aber am Monatsende kaum ein Euro übrigbleibt, als auch um diejenigen, die mit ihren Eltern Teil des Hartz-IV-Systems geworden sind.

Die Bundesregierung hat eine Kindergrundsicherung angekündigt, in der alle Leistungen für Kinder gebündelt werden sollen. Das ist eine vernünftige Idee. Bislang ist die Kindergrundsicherung aber vor allem ein schönes Wort. Es wird entscheidend darauf ankommen, wie sie für die einzelnen Gruppen finanziell ausgestattet wird. 

(leicht gekürzter RND-Nachdruck vom 6. Januar 2022)