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Mindestlohn in der Weiterbildung: Neuer Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit

Der Mindestlohntarifvertrag für den Weiterbildungsbereich war bereits im Mai 2009 von GEW, ver.di und dem Arbeitgeberverband BBB abgeschlossen worden. Der erste Antrag auf Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit war vom Arbeitsministerium abgelehnt worden. Ab jetzt können alle Betroffenen dazu Stellung nehmen – die Betriebsräte in der Weiterbildungsbranche sollten das Thema in ihren Betrieben diskutieren.

Der neue Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung (AVE), den GEW, ver.di und Arbeitgeberverband BBB (Zweckgemeinschaft von Mitgliedsunternehmen des Bundesverbands der Träger Beruflicher Bildung (Bildungsverband) e.V.) gestellt haben, wurde heute im Bundesanzeiger veröffentlicht.

Am 30. Mai 2011 hatten die Tarifvertragsparteien beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung die Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) des Tarifvertrags zur Regelung der Mindestarbeitsbedingungen in der Weiterbildungsbranche (SGB II+III, Branchentarifvertrag Weiterbildung) beantragt.

Ursprünglich war die Kündigungsfrist im Tarifvertrag für den 31.12.2011 vereinbart worden – schlussendlich hätte die AVE dann evtl. nur drei Monate betragen. Deshalb haben die Tarifparteien sich auf eine Verlängerung der Kündigungsfrist frühestens zum 31.12.12 verständigt. Nach dieser notwendigen Anpassung wurde der neue Antrag von GEW, ver.di und Arbeitgeberverband BBB im Bundesanzeiger veröffentlicht. Wieder geht es dabei um eine Allgemeinverbindlicherklärung nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz.

Vorgeschichte
Der Branchentarifvertrag Weiterbildung liegt bereits seit zwei Jahren vor. Am 12.5.2009 hatten sich Gewerkschaften und Arbeitgeber/innen darauf geeinigt. Er regelt Mindestarbeitsbedingungen, insbesondere Mindestlöhne, in der Weiterbildungsbranche. Für pädagogische Mitarbeiter/innen wird bei einer Arbeitszeit von 39 Std./Woche eine Mindeststundenvergütung (brutto) von 12,28 € (West+Berlin) bzw. 10,93 € (Ost) festgelegt. Diese Stundensätze basieren auf der bereits 2007 tarifvertraglich vereinbarten monatlichen Anfangsvergütung von mindestens 2.076,06 € (West+Berlin) bzw. 1.847,69 € (Ost). Um als Grundlage für den AVE-Antrag nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz geeignet zu sein, war der Tarifvertrag 2009 angepasst worden. Der erste AVE-Antrag vom 12.9.2009 war am 4.10.2010 unter Verweis auf „mangelndes öffentliches Interesse“ abgelehnt worden.

Öffentliches Interesse unbestreitbar
Damit ein Tarifvertrag per Rechtsverordnung nach § 7 Arbeitnehmerentsendegesetz für allgemeinverbindlich erklärt werden kann – mit der Folge, dass er auch für nicht tarifgebundene Betriebe und Arbeitnehmer/innen der Branche gilt - muss die Allgemeinverbindlichkeitserklärung insbesondere „in öffentlichem Interesse“ liegen. Dies war vom Bundesarbeitsministerium im Herbst 2010 in Zweifel gezogen worden. Aus Sicht von GEW, ver.di und Arbeitgeber/innenverband BBB ist das öffentliche Interesse an einem Branchentarifvertrag für einen Mindestlohn in der Weiterbildung unbestreitbar. Im Zuge des Vermittlungsverfahrens zum „Hartz IV-Paket“ im Herbst 2010 hatten sich die Parteien gerade wegen des massiven öffentlichen Interesses auf eine positive Lösung zugunsten des Mindestlohntarifvertrages geeinigt. GEW, ver.di und Arbeitgeberverband BBB haben darüber hinaus in der Begründung des AVE-Antrags auf den Zusammenhang zwischen guter Arbeit und Qualität in der Weiterbildung, auf den verantwortungsvollen Einsatz öffentlicher Mittel (Bundesagentur-Vergabe), und auf die hohe gesellschaftliche Bedeutung des lebenslangen Lernens (von der Fachkräftebildung bis zur Unterstützung am Arbeitsmarkt Benachteiligter) verwiesen. Schließlich geht es darum, mit dem Tarifvertrag in der gesamten Weiterbildungsbranche erstmals eine Lohnuntergrenze zu etablieren, um den katastrophalen Lohnverfall zu stoppen.

Repräsentativität
Nach der Ablehnung des ersten AVE-Antrages durch das Bundesarbeitsministerium spielte in der parlamentarischen Diskussion auch die Frage der Repräsentativität der antragstellenden Arbeitgeber/innen im Verband BBB eine große Rolle. Die dabei angezweifelte Repräsentativität in der Tarifbindung und der Bandbreite der vertretenden Arbeitgeber/innen durch den Arbeitgeberverband ist – mit 42 überwiegend in der Weiterbildung tätigen Unternehmen und ca. 11.000 Beschäftigten mittlerweile unbestreitbar in ausreichendem Maß erreicht. Die entsprechenden Daten wurden dem Ministerium vorgelegt.

Weiteres Verfahren
Ab Veröffentlichung des Antrags im Bundesanzeiger haben alle Betroffenen die Möglichkeit, Stellung zu nehmen. Dann erfolgt die Abstimmung im Tarifausschuss. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Vermittlungsausschüsse zu den Hartz IV-Sätzen wird dann das Bundesarbeitsministerium über die Allgemeinverbindlichkeit zu entscheiden haben.

Worauf es jetzt ankommt
Eine bestimmte Gruppe von Weiterbildungsträgern wird wie beim ersten Anlauf die Zeit nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger nutzen, um Stimmung gegen die Allgemeinverbindlichkeit zu machen. Einige wollen, dass die Weiterbildungsbranche weiterhin so unreguliert bleibt wie bisher, und dass prekäre Arbeitsbedingungen und Niedriglöhne weiterhin die Arbeitswelt dort bestimmen.

Auch die Betriebsräte sollten Stellung nehmen. Wir empfehlen allen Betriebsräten, die Stellungnahmen zum Thema in Besprechungen und Betriebsversammlungen zu machen.