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Hochschule in krisenhaften Zeiten

Mehr Unterstützung für fünftes Pandemiesemester gefordert

Angesichts des als Präsenzstudium angekündigten Sommersemesters fordert die GEW Bund und Länder zu mehr Unterstützung auf. Anlass ist eine GEW-Studie zu Hochschulen in Krisenzeiten, die Erfahrungen aus der Coronazeit bilanziert.

Foto: Shutterstock / GEW

Die GEW fordert Bund, Länder und Hochschulen auf, Lehren aus der Coronapandemie zu ziehen und nachhaltige Strukturveränderungen auf den Weg zu bringen. Zudem müssten die Hochschulen bei der für das Sommersemester angekündigten Rückkehr zum Präsenzstudium aktiv unterstützt werden. „Nach vier Coronasemestern sind Studierende, Lehrende und Forschende am Limit“, betonte der GEW-Hochschulexperte und Vizevorsitzende Andreas Keller am Donnerstag bei der Onlinevorstellung der von der Max-Traeger-Stiftung geförderten Studie „Hochschule in krisenhaften Zeiten“.

„Im Lichte der Studienergebnisse bleibt der Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) vom 10. März zur Ausgestaltung des Sommersemesters 2022 hinter den Anforderungen zurück.“ (Andreas Keller)

„Im Lichte der Studienergebnisse bleibt der Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) vom 10. März zur Ausgestaltung des Sommersemesters 2022 hinter den Anforderungen zurück“, kritisierte Keller. Der von der KMK angekündigte Dialog mit allen Teilen der Hochschulgemeinschaft sei zwar überfällig, die Länder müssten aber darüber hinaus rechtzeitig vor Semesterbeginn Maßnahmen ergreifen, um Studierende und Hochschulbeschäftigte zu unterstützen.

Neben dem Gesundheits- und Infektionsschutz zählten dazu individuelle Hilfs- und Beratungsangebote für Studierende sowie Fort- und Weiterbildungsangebote für Lehrende. Letztere müssten von technischen und administrativen Aufgaben entlastet werden. Die Pandemiesemester dürften nicht auf Studienzeiten und Ausbildungsförderung angerechnet, Zeitverträge mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern müssten unbürokratisch verlängert werden.

Digitale Infrastruktur ausbauen

Den Bund mahnte Keller, das Bundesprogramm „Digitale Hochschule“ sowie die geplanten Reformen des Bundesausbildungsförderungs- und Wissenschaftszeitvertragsgesetzes schnell auf den Weg zu bringen. „Die digitale Infrastruktur an den Hochschulen, einschließlich moderner Lehr- und Lernplattformen, ist dringend auszubauen. Die Studienfinanzierung und die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses müssen krisenfest ausgestaltet werden. Eine bedarfsgerechte Ausbildungsförderung sowie Dauerstellen für Daueraufgaben und Mindestlaufzeiten für Zeitverträge in Forschung und Lehre sind dafür eine wichtige Grundlage.“

Neue Kompetenzen nachhaltig nutzen

Die für die Studie verantwortlichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Projektleiterin Hanna Haag von der Frankfurt University of Applied Sciences und Projektmitarbeiter Daniel Kubiak von der Humboldt-Universität zu Berlin, forderten nicht nur eine nachhaltige Nutzung der in der Coronazeit neu erworbenen Kompetenzen, sondern auch grundsätzlich eine Stärkung des Stellenwerts der Lehre an den Hochschulen sowie die Schaffung langfristiger Perspektiven für den akademischen Mittelbau.

Für das Forschungsprojekt wurden in Gruppen- und Einzelinterviews die Arbeits- und Studienbedingungen, die Chancen und Risiken der Digitalisierung von Lehre und Forschung sowie die Entgrenzung von Arbeitsalltag und Privatleben unter die Lupe genommen. Es handelt sich um eine Längsschnittuntersuchung, die in den Blick nimmt, wie sich die Lage von Studierenden, Lehrenden und Forschenden über einen Zeitraum von 16 Monaten entwickelte sowie welche Auswirkungen die Maßnahmen von Bund, Ländern und Hochschulen hatten.

„Distanz und Vereinsamung gingen mit psychischen Belastungen einher, die Vereinbarkeit von Familie und Wissenschaft kam an ihre Grenzen.“

Keller fasste bei der Onlineveranstaltung am Donnerstag nochmal zusammen: „Digitale Lehrformate mussten gleichsam über Nacht entwickelt, häufig gleichzeitig Präsenzlehre angeboten werden. Distanz und Vereinsamung gingen mit psychischen Belastungen einher, die Vereinbarkeit von Familie und Wissenschaft kam an ihre Grenzen, pandemiebedingte Beeinträchtigungen und Verzögerungen von Forschungs- und Qualifizierungsvorhaben erhöhten den Druck auf befristet beschäftigte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.“