Digitalisierung im Bildungsbereich
Mehr Nachhaltigkeit wagen – aber wie?
Statt ausreichend finanzielle Ressourcen in die Bekämpfung der Klimakrise zu stecken, steigt der globale Ressourcenverbrauch stetig an. Eine GEW-Tagung stellte nun die Frage der Nachhaltigkeit von Digitalisierung ins Zentrum.
Kann der digitale Kapitalismus die Klimakrise lösen? (Wie) passen Digitalisierung und Nachhaltigkeit überhaupt zusammen? Diese Fragen warf eine GEW-Tagung in Magdeburg im Vorfeld der Weltklimakonferenz in Baku auf. Der Nachhaltigkeit gingen die Teilnehmenden aus einer multiperspektiven Sicht auf die Spur: ökologische, ökonomische, soziale und pädagogische Nachhaltigkeit müsse berücksichtigt werden.
Zwei Seiten der „nachhaltigen digitalen Bildung“
Digitalisierung ist nicht unabänderbar wie Zeus‘ Blitz im antiken Griechenland über die Schulen hereingebrochen. Der Medienpädagoge Valentin Dander brachte es im Hauptvortrag zur pädagogischen Nachhaltigkeit von Digitalisierung auf den Punkt: „Nachhaltige digitale Bildung“ hat eine A- und B-Seite. Sie kann als vermessende, zurichtend-pädagogische, an Profit- und Effizienzkriterien ausgerichtete Digitalisierung nachhaltig wirken. Sie kann aber auch als emanzipatorisch-pädagogische Digitalisierung wirken und in solidarischen Praktiken des Commonings auch wirklich ökologisch wie sozial nachhaltig wirken.
„Ob sich die Licht- oder die Schattenseiten der Digitalisierung in der Schule durchsetzen, ist gestaltbar und es lohnt sich, als Bildungsgewerkschaft darum zu kämpfen.“ (Anja Bensinger-Stolze)
„Ob sich die Licht- oder die Schattenseiten der Digitalisierung in der Schule durchsetzen, ist gestaltbar und es lohnt sich, als Bildungsgewerkschaft darum zu kämpfen“, schlussfolgert Anja Bensinger-Stolze, Vorstandsmitglied Schule im Geschäftsführenden Vorstand der GEW.
Zukunft ist gestaltbar und muss es bleiben!
Die Diskutierenden des Abschlusspodiums, Anne-Sophie Waag (Wikimedia), Thomas Hohn (Greenpeace), Nicolas Guenot (Konzeptwerk Neue Ökonomie / Bits&Bäume) und Ralf Becker (GEW-Hauptvorstand) waren sich einig: Der digitale Kapitalismus löst die Klimakrise nicht. Er heizt den Ressourcenverbrauch eher noch an.
KI-Anwendungen zum Beispiel schlucken enorme Energien und die globalen Produktions- und Arbeitsbedingungen sind unter einer sozialen Perspektive sehr ungerecht organisiert. Positionen, die die Klimakrise leugnen, wurden im US-Wahlkampf auf der größten Nachrichtenplattform regelrecht hochgespült. Die Macht verdichtet sich stark auf den privatwirtschaftlich organisierten Plattformen, aber an einem Dagegenhalten führt angesichts des stärker werdenden Klimawandels kein Weg vorbei.
Und solidarische und nachhaltige Alternativen sind denkbar und notwendig: seien es gemeinwohlorientierte öffentliche digitale Infrastrukturen, ein gutes (digitales) Leben für alle, das globale Produktions- und Arbeitsbedingungen in den Blick nimmt oder die Zusammenarbeit im Bündnis ZukunftsBildung BNE, das Bewusstsein für eine nachhaltige Digitalisierung bereits in der Schule schärfen kann.
„Es geht um das Wie! Das Wie muss nachhaltig sein – pädagogisch und ökologisch, ökonomisch und sozial.“ (Ralf Becker)
Ralf Becker, GEW-Vorstandsmitglied Berufliche Bildung und Weiterbildung, war sich jedenfalls sicher: „Wir dürfen, nein wir müssen entscheiden, welchen Digitalisierungspfad wir nehmen. Die neue ICILS-Studie – ich nenne sie PISA digital – belegt, dass es nicht ausreicht, eine gute Ausstattung zu fordern und ein bloßes Mehr an Digitalisierung. Es geht um das Wie! Das Wie muss nachhaltig sein – pädagogisch und ökologisch, ökonomisch und sozial. Um pädagogische Nachhaltigkeit zu erreichen, brauchen wir mehr Medienkompetenz für einen kritisch-reflektierten Umgang – und zwar für Lehrende und Lernende. Außerdem muss genauer erforscht werden, wie sich digitale Anwendungen überhaupt auf das Lernen auswirken.“
Anja Bensinger-Stolze ergänzte: „Nachhaltigkeit bleibt leider oft eine Leerstelle. Zum Beispiel hat die KMK-Handlungsempfehlung zu KI den Punkt Lernen über KI und nachhaltigen Ressourcenverbrauch leider unterbelichtet - trotz Kritik von verschiedenen Stakeholdern im Vorfeld der Veröffentlichung. So geht das nicht. Es ist wichtig, dass Schüler*innen in der Schule lernen, dass Künstliche Intelligenz eine Materialität hat. Sie verbraucht endliche Ressourcen und sie wird von Menschen produziert – oft zu sehr schlechten Arbeitsbedingungen. Hier sagen wir als Bildungsgewerkschaft: ‘Stopp’! Gute Bildung, gute Arbeit und Solidarität auf globaler Ebene müssen Hand in Hand gehen.“