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"Mehr Geld für Bildung in die Hand nehmen!"

Zwei Gewerkschafterinnen auf Tour: Marlis Tepe und Dorothea Schäfer trafen sich zur Reise durch NRW. Die Bundes- und die Landesvorsitzende der GEW sammelten Anregungen – und setzten sich für einen grundlegenden Kurswechsel in der Bildungspolitik ein.

GEW-Vorsitzende Marlis Tepe und NRW-Landesvorsitzende Dorothea Schäfer (Foto: Bert Butzke)

Großraumwagen Nr. 9 im IC 1926 von Düsseldorf in Richtung Münster. Auf den Plätzen 52 und 58 sind zwei Frauen ins Gespräch vertieft: Während draußen Kühltürme, Pendler-Parkplätze und Felder vorbeiziehen, geht es drinnen um Quereinsteiger ins Lehramt, die – endlich verabschiedete – höhere Besoldung von Grundschulleiterinnen und -leitern, um das Kooperationsverbot in der Bildungspolitik und um die bevorstehende Landtagswahl an Rhein und Ruhr am 14. Mai.

NRW ist das bevölkerungsreichste Bundesland mit zahlreichen Schulen und Kitas und es hat die dichteste Hochschullandschaft Europas: Wer sich mit Bildungsthemen beschäftigt, kommt an Nordrhein-Westfalen kaum vorbei. Und wer Impulse in der Bildungspolitik setzen will, kann hier viel bewegen.

Vom Düsseldorfer Landtag über das Ruhrgebiet bis nach Münster sind Dorothea Schäfer und Marlis Tepe an diesem Tag unterwegs. "Viel Erfolg und viel Motivation!", wünscht ihnen die grüne Schulministerin Sylvia Löhrmann im Landtag. Im Gespräch geht es um die Initiative "Bildung. Weiter denken!" für Deutschland genauso wie um die globale Bildungskampagne, in der sich die GEW engagiert. Fast sechzig Millionen Kinder weltweit gehen nicht zur Schule - "das muss sich ändern", sind sich die Gewerkschafterinnen und die Ministerin einig.

"Das Bildungswesen in Nordrhein-Westfalen ist aber nach wie vor unterfinanziert und sozial ungerecht." (Dorothea Schäfer)

 

Schnell ist an diesem Tag klar: Es geht Marlis Tepe und Dorothea Schäfer heute nicht um die kleinen Stellschrauben, sondern um große Reformen. Dazu gehören die vollständige Aufhebung des Kooperationsverbots und ein deutlich vergrößerter finanzieller Spielraum in der Bildungspolitik. "Bildung ist die wichtigste Ressource unseres Landes", sagt GEW-Landeschefin Dorothea Schäfer, "das Bildungswesen in Nordrhein-Westfalen ist aber nach wie vor unterfinanziert und sozial ungerecht." Dass Bund und Länder in der Bildung als Folge der Föderalismus-Reform nicht wirklich kooperieren dürfen, sei ein bildungspolitischer Hemmschuh, klagt Marlis Tepe - und der macht sich vom Kita-Ausbau bis zur schulischen Infrastruktur, von den Schwierigkeiten bei der Fachkräfte-Gewinnung bis zur Hochschulfinanzierung bemerkbar. 

"Deutschland braucht mehr und bessere Bildung für alle Menschen. Das geht nur mit zusätzlichem Personal in Kitas, Schulen, Hochschulen und der Weiterbildung." (Marlis Tepe

 

Tepe fordert deswegen, auch mit Blick auf die Landtagswahl, einen radikalen Richtungswechsel: "Die Politik muss endlich mehr Geld für Bildung in die Hand nehmen. Denn Deutschland braucht mehr und bessere Bildung für alle Menschen. Das geht nur mit zusätzlichem Personal in Kitas, Schulen, Hochschulen und der Weiterbildung." Zusätzlich müsse dringend in die marode Infrastruktur der Schulen und Hochschulen investiert werden - samt Ausbau der Ganztagsangebote und der Inklusion. Der Bedarf ist riesig: 3,2 Milliarden pro Jahr für die Sanierung der Schulen, eine weitere Milliarde für die Hochschulen - und das über einen Zeitraum von zehn Jahren.

Kritische Rückfrage in der Landespressekonferenz: Wer das denn alles bezahlen solle? "Wer sich für Bildungspolitik interessiert, darf eben nicht nur diesen Teil der Wahlprogramme lesen", sagt die GEW-Bundesvorsitzende, "genauso wichtig ist der Blick in die Steuerkonzepte." Wenn Deutschland so viel Geld für Bildung ausgeben würde wie andere Industrienationen im Schnitt, wären die Vorschläge der Bildungsgewerkschaft problemlos zu finanzieren.

Den Abschluss des Tages bildet ein Gespräch mit Personalratsvertretern an der Uni Münster. Detlef Berntzen und Karl-Ludwig Mischke berichten von über 90 Prozent befristeten Arbeitsverträgen beim wissenschaftlichen Personal - und von den Versuchen der Hochschulleitung, die Anwendung des reformierten Wissenschaftszeitvertragsgesetzes möglichst lange zu unterlaufen. "Wir müssen runter von dieser absurd hohen Zahl von Befristungen", sagt Berntzen, "Daueraufgaben erfordern auch Dauerstellen." Marlis Tepe nickt und verweist auf die Forderungen, die die GEW schon nach Veröffentlichung des Bundesberichts Wissenschaftlicher Nachwuchs im März aufgestellt hatte: "Wir brauchen eine Entfristungsoffensive mit bundesweit 50.000 zusätzlichen Dauerstellen im akademischen Mittelbau." Mindestens 2000 davon, sagt Dorothea Schäfer, seien an den NRW-Hochschulen nötig.

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