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Lehrkräftearbeitsmarkt

„Man hängt total in der Luft“

Yuliya Schmidt aus Belarus ist ausgebildete Lehrerin und deutsche Staatsangehörige. Dennoch arbeitet sie in Dresden als Dolmetscherin und Übersetzerin – statt in einer Schule. Im Interview erzählt die 36-Jährige die Geschichte ihrer Odyssee.

Yuliya Schmidt (Foto: privat)
  • E&W: Sie leben als ausgebildete Lehrerin seit zehn Jahren in Deutschland, können aber nicht in ihrem Beruf arbeiten. Wie erleben Sie die Situation?

Yuliya Schmidt: Es ist schade und traurig, dass man so mit Lehrkräften mit ausländischen Qualifikationen umgeht. Da überlegt man schon, ob man noch gern in den deutschen Schuldienst möchte.

  • E&W: Wie sind Sie als Lehrerin ausgebildet?

Schmidt: 2007 habe ich in meiner Heimatstadt Witebsk an der Staatlichen Mascherow-Universität ein fünfjähriges Lehramtsstudium abgeschlossen und die Qualifikation als Lehrerin für russische Sprache und Literatur sowie für deutsche Sprache erhalten. Ein Jahr später habe ich zudem einen Magister der philologischen Wissenschaften absolviert.

  • E&W: Haben Sie auch praktische Erfahrung als Lehrerin?

Schmidt: Schon während des Studiums konnte ich meine Fächer drei Jahre an einer staatlichen Mittelschule unterrichten und nach dem Magisterabschluss Deutsch an meiner Hochschule vermitteln. Danach habe ich ein Jahr in Moskau in einer Anwaltskanzlei für deutsche Kunden als Dolmetscherin und Übersetzerin gearbeitet.

  • E&W: Wie hat es Sie nach Dresden verschlagen?

Schmidt: 2011 bin ich der Liebe wegen nach Dresden gegangen – der Liebe zu meinem heutigen Ehemann und zur deutschen Sprache. Ich habe an der TU Dresden Germanistik studiert und war Stipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung. Ich lebe also schon seit zehn Jahren in Deutschland, seit 2018 bin ich eingebürgert; mein Sohn geht aktuell in die erste Klasse.

  • E&W: Sie arbeiten dennoch als öffentlich bestellte, beeidigte Dolmetscherin und Übersetzerin für Russisch und Belarussisch – und nicht als Lehrerin. Warum?

Schmidt: Das müsste man eigentlich die Schulbehörden fragen. Ich arbeite bereits seit acht Jahren als Freiberuflerin für sächsische Ämter, für die Justiz, für das Landeskriminalamt und andere. Seit meiner Einbürgerung 2018 habe ich überlegt, meinen alten Beruf auszuüben und in den Schuldienst zu gehen, weil dieser mir mehr Sicherheit bietet. Ich habe meine Unterlagen zur Anerkennung ausländischer Bildungsnachweise eingereicht, weil eine meiner Studienkolleginnen mit dem identischen Lehrerdiplom aus Belarus ohne Probleme ihre Anerkennung für beide Fächer bekommen hat. Sie unterrichtet längst an einer Oberschule und ist verbeamtet. Weil ich ja zusätzlich einen deutschen Masterabschluss in Germanistik habe, war ich sehr entspannt. Aber ich habe mich geirrt.

  • E&W: Warum? Was passierte?

Schmidt: Abgegeben habe ich die Unterlagen im Mai 2018 – aber die erhoffte Anerkennung habe ich bis heute nicht. Bis Herbst 2019 hatte ich noch nicht einmal etwas vom Landesamt für Schule und Bildung gehört und habe deshalb nachgefragt. Bald darauf habe ich den Bescheid erhalten, dass ich nur für das Lehramt Russisch an Oberschulen zugelassen werde, aber nicht für Deutsch als Fremdsprache. Begründung: Ich hätte das zweite Fach nicht ausreichend studiert. Das war sehr schlimm für mich. Mein Widerspruch, in dem ich alles exakt erklärt habe, wurde monatelang nicht beantwortet und dann abgelehnt. Auch ein Schreiben an den Präsidenten des Landesamtes brachte nichts.

  • E&W: Und wie ist es heute?

Schmidt: Ich habe einen Anwalt eingeschaltet, und nach mehreren Gesprächsversuchen haben wir im September 2020 Klage beim Verwaltungsgericht Dresden eingereicht. Wir sind der Meinung, dass man viele meiner bisherigen Studienleistungen in Deutsch bisher nicht richtig zur Kenntnis genommen hat. Über diese formalen Fehler und offenen Fragen ist bis heute nicht entschieden. Außerdem engagiere ich mich in der GEW, die mich gut unterstützt, und helfe migrierten Lehrkräften, denen es ähnlich geht.

  • E&W: Wie kann die Geschichte noch zu einem guten Ende kommen?

Schmidt: Schwierig zu sagen, man hängt total in der Luft, weil nicht kommuniziert wird. Inzwischen besuche ich auch einen Anpassungslehrgang an der TU Dresden für das Lehramt Deutsch an Oberschulen. Das dauert in der Regel vier Semester. Wie alles am Ende ausgeht und ob ich noch eine Anerkennung für das Lehramt bekomme – ich weiß es nicht.