Zum Inhalt springen

Magere Ergebnisse für die "Bildungsrepublik"

Auch zehn Jahre nach der ersten PISA-Studie gibt es keine substanziellen Verbesserungen im deutschen Schulsystem. Der heute veröffentlichte Schulleistungsvergleich der Bundesländer beweist nur eins: die Richtigkeit des alten Sprichworts "Vom Wiegen wird die Sau nicht fetter".

Marianne Demmer, für Schule verantwortliches Vorstandsmitglied der GEW, erklärte, die Schulen würden zwar ständig mit Leistungsvergleichen überzogen, aus den Testergebnissen folgten jedoch keine Konsequenzen.

Für den neuen Bundesländer-Schulleistungsvergleich wurden vom Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) der Berliner Humboldt-Universität im Schuljahr 2008/2009 die Leistungen von Neuntklässlern in den Fächern Deutsch und der ersten Fremdsprache (Englisch oder Französisch) getestet. Die Ergebnisse bestätigen, was bereits die PISA-Studien und andere Leistungsvergleiche ans Licht brachten:

  • Nord-Süd- bzw. Ost-West-Gefälle: Nach wie vor gibt es im Bundesvergleich große regionale Leistungsunterschiede. Im Fach Deutsch haben beim Leseverständnis bayerische Schülerinnen und Schüler gegenüber Jugendlichen aus Bremen einen durchschnittlichen Vorsprung von über einem Schuljahr, beim mündlichen Textverständnis sogar von fast eineinhalb Jahren. In Englisch belegen die neuen Länder im Bereich Hörverstehen die hinteren fünf Plätze.
  • Abhängigkeit des schulischen Erfolgs von der sozialen Herkunft: In allen getesteten Kompetenzbereichen der Fächer Deutsch und Englisch zeigen sich in den Ländern Unterschiede, die mit der sozialen Herkunft der Schülerinnen und Schüler zusammenhängen. In Ländern mit geringerer Gymnasialquote fällt die Bildungsungerechtigkeit am größten aus. Unrühmliche Spitzenreiter sind hier Baden-Württemberg und Bayern.
  • Geschlechterdifferenzen: In allen sieben getesteten Teilbereichen zeigen sich Leistungsvorsprünge von Mädchen gegenüber Jungen, am deutlichsten im Bereich Rechtschreibung. Hier beträgt der Kompetenzvorsprung der Mädchen mehr als ein Schuljahr.
  • Sprachliche Kompetenzen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund: Bundesweit ergeben sich erhebliche Differenzen zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund. Im Fach Deutsch haben Jugendliche aus zugewanderten Familien Leistungsrückstände gegenüber Schülerinnen und Schülern ohne Migrationshintergrund von rund zwei Schuljahren.

GEW-Schulexpertin Demmer betonte angesichts dieser Ergebnisse, Chancengleichheit bleibe im deutschen Schulsystem ein Fremdwort. "Die Politik hat sich in den vergangenen Jahren verzettelt und die falschen Akzente gesetzt", so Demmer. "Statt Chancengleichheit und individuelle Förderung zum zentralen Thema zu machen und massiv in die Fortbildung des pädagogischen Personals zu investieren, hat sie den Schwerpunkt bei der Qualitätssicherung gesetzt.“

Sie forderte die Politik auf, jetzt endlich energisch gegenzusteuern. "Mehr Gerechtigkeit und mehr Leistung sind nur in einem gerechten inklusiven Schulsystem, in dem alle Kinder und Jugendlichen gemeinsam lernen und individuell gefördert werden, möglich", erklärte Demmer. Die unsinnige Aufteilung in unterschiedlich anspruchsvolle Schulformen und die Aussonderung junger Menschen mit Behinderungen müsse endlich überwunden werden. "Individuelle Förderung braucht gut ausgebildetes und motiviertes Personal, genügend Zeit und gute Lernbedingungen wie kleine Klassen“, betonte sie.

(uhe)