Nachdem ich in den Jahren 1984 bis 1987 erste, sehr positive Erfahrungen als Lehrkraft bzw. Schulleiter an der Deutschen Schule Kaduna, einer Firmenschule im Norden Nigerias, sammeln konnte, zog es mich im Jahr 2003 erneut ins Ausland. Im Winter 2002/2003 suchte die Deutsche Schule Kobe, eine der beiden in Japan bestehenden deutschen Auslandsschulen, einen neuen Schulleiter. Der Bewerber sollte die Nachfolge einer AdLK antreten die zu diesem Zeitpunkt bereits im siebten Schuljahr vor Ort die Leitungsfunktion inne gehabt hatte. Bereits im Sommer 2002 war die letzte von der Bundesrepublik Deutschland finanzierte AdLK-Stelle weggefallen. Die Tätigkeit des Kollegen wurde von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen für ein weiteres Schuljahr (2002/2003) durch finanzielle Zuwendungen an den Schulträger abgesichert. Die nunmehr für eine Ortskraft ausgeschriebene Schulleiterposition wurde mir angeboten. Grundlage der Tätigkeit war ein Dreijahresvertrag mit der Option auf Verlängerung. Die entsprechende Beurlaubung durch den Dienstherrn, die Freie und Hansestadt Hamburg, erfolgte problemlos.
Der Wechsel nach Japan
Das Land Japan hat sich sehr spät in seiner Geschichte für interkulturelle Beziehungen mit anderen Staaten geöffnet. Die japanische Gesellschaft steht allen Kontakten mit Ausländern auch heute noch sehr zurückhaltend gegenüber. Die Erteilung von Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen für Ausländer wird sehr restriktiv gehandhabt. Dennoch bereitete es in der Regel keine Probleme, für Lehrkräfte an der Deutschen Schule entsprechende Visa zu bekommen. Der Umgang mit japanischen Ämtern, Banken und anderen Firmen erfordert auch von Deutschen ein hohes Maß an Geduld und Leidensfähigkeit. Man arbeitet sehr gewissenhaft und gibt sich dabei extrem bürokratisch. Das schließt nicht aus, dass Ausländer überall außerordentlich zuvorkommend und höflich behandelt werden.
Auch persönliche Begegnungen mit Japanern sind geprägt von beinahe unterwürfiger Höflichkeit. Rituale sind von großer Bedeutung. Diese sorgen für Distanz und dafür, dass niemand in Gefahr gerät, sein Gesicht zu verlieren. Private Kontakte zwischen Ausländern und Japanern sind nahezu undenkbar und bleiben die große Ausnahme. Vor diesem Hintergrund erwies es sich dennoch als durchweg angenehm, mit den japanischen Mitarbeitern der DSK zu kooperieren. Die Kolleginnen und Kollegen waren bemüht, sich auf das europäisch geprägte Arbeitsumfeld einzustellen und zeigten sich absolut zuverlässig und loyal ihrem Arbeitgeber gegenüber.
Die Deutsche Schule Kobe / European School
Im Jahr 1909, also vor inzwischen fast 100 Jahren, gründeten deutsche Kaufleute in Kobe eine eigene Schule. Es wurde von Anfang an nach deutschen Lehrplänen unterrichtet um zu gewährleisten, dass die Kinder von ins Mutterland zurückkehrenden Familien problemlos in das heimatliche Schulsystem wechseln konnten. Mit über die Jahre hinweg stark schwankenden Schülerzahlen entwickelte sich die DSK, neben der noch ein wenig älteren Schule in Yokohama, zu einem zweiten Zentrum gesellschaftlichen und deutschsprachigen kulturellen Lebens im Land der aufgehenden Sonne. Die beiden Schulen überlebten sogar eine in Folge des 2.Weltkrieges unumgängliche mehrjährige Zwangspause.
In den neunziger Jahren des 20.Jahrhunderts lenkten immer mehr in Japan tätige europäische Firmen ihr Interesse auf den boomenden Wirtschaftsraum China, was zur Folge hatte, dass auch immer mehr deutschsprachige Familien dem Kansai-Gebiet mit den Städten Kobe und Osaka den Rücken kehrten, um, zum Beispiel, nach Peking oder Schanghai überzusiedeln. Diese Entwicklung sollte schwerwiegende Folgen für die DS Kobe haben: Die Schülerzahlen wurden stark rückläufig und es war klar, dass ein wirtschaftlicher Schulbetrieb mit weniger als 20 Schülerinnen und Schülern auf längere Sicht nicht möglich sein würde. Hinzu kam, dass angesichts dieser Entwicklung der DSK die von der ZfA vergebenen Fördermittel in sehr starkem Maße reduziert wurden. Es war abzusehen, dass die Schule zu dem Zeitpunkt, an dem sämtliche Rücklagen aufgebraucht sein würden, tief in die roten Zahlen geraten wird.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung war es meinem Amtsvorgänger gelungen, den Schulverein davon zu überzeugen, dass eine Rettung der Schule nur über eine konsequente Erweiterung ihres Angebots möglich sein würde. Man entschloss sich, die Einrichtung mit einem zweiten, englischsprachigen Zweig auszustatten. Über dieses Angebot würde man finanzstarke japanische Familien, die für ihre Kinder eine an europäisch geprägten Werten orientierte Bildung und Erziehung wünschten, erreichen können. Die „European School“ (ES) als zweites, eng kooperierendes Standbein der traditionsreichen Deutschen Schule, wurde ins Leben gerufen.