Tepe macht auf ihrer diesjährigen Sommertour „GEW in Bildung unterwegs“ durch die Bundesländer besonders den miserablen Zustand sehr vieler Gebäude in der Bildungsrepublik Deutschland zum Thema. Die räumlichen Arbeitsbedingungen seien ein wesentlicher Aspekt der Initiative „Bildung. Weiter denken!“. „Wir erleben in Deutschland einen Bildungsnotstand“, sagt Tepe. Der Sanierungs- und Investitionsstau an Schulen liege bei 32 Milliarden Euro, an Kitas bei fünf Milliarden und an Hochschulen bei 50 Milliarden – laut Zahlen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Um diese gewaltigen Lasten in den Griff zu bekommen, kämpfe die GEW für einen Schulterschluss von Bund, Ländern und Kommunen.
„Einen Beamer anzuschaffen, wäre purer Luxus – wir haben schon zu kämpfen, unsere Unterrichtsversorgung abzudecken.“ (Mike Litschko)
Wie die Probleme vor Ort aussehen, berichten die Kolleginnen und Kollegen in der Magdeburger Konferenz. Mike Litschko, GEW-Kreisvorsitzender im Harz, Schulleiter und zugleich Stellvertreter einer weiteren Schule, erzählt erschreckendes vom Notstand: An seinen beiden Standorten gelte schon kurz nach Jahresbeginn eine Haushaltssperre. Neue Investitionen sind damit nicht möglich. „Selbst bei Havarien wird nur notdürftig geflickt“, sagt Litschko. „Einen Beamer anzuschaffen, wäre purer Luxus – wir haben schon zu kämpfen, unsere Unterrichtsversorgung abzudecken.“
In Sachsen-Anhalt beruhen die Standards für Bau und Ausstattung von Schulen immer noch auf einer Richtlinie von 1994, berichtet die Landesvorsitzende der GEW, Eva Gerth. „In Schülergenerationen gerechnet stammt die Schulbaurichtlinie aus Großmutters Zeiten, in digitaler Hinsicht aus dem Mittelalter.“ Für moderne Unterrichtsformen ist da kein Platz. „Es müssen endlich Voraussetzungen geschaffen werden, damit bewährte und neue Bausteine in der pädagogischen, didaktischen und methodischen Arbeit gut zusammengesetzt werden können“, fordert Gerth.
„Die Vorzeigeprojekte von heute müssten flächendeckend zum Standard für morgen werden“ (Eva Gerth)
Zwischen den rund 800 Schulen in Sachsen-Anhalt gebe es ein großes Gefälle von umfassend sanierten und gut ausgestatteten Einrichtungen bis hin zu solchen, in denen seit Jahrzehnten nichts passiert sei. „Die Vorzeigeprojekte von heute müssten flächendeckend zum Standard für morgen werden“, sagt Gerth. Doch Fördermittel würden nur spärlich fließen. Eine Schule in ihrer Heimatregion Köthen etwa beantrage seit Jahren Unterstützung, bekomme aber kein Geld. Fördermittelprogramme würden durch überbordende Bürokratie häufig behindert. Und die Bauarbeiten, wenn sie denn stattfinden, werden häufig zum Problem: Ihre eigene Schule sei vier Jahre lang umgebaut worden – bei laufendem Betrieb. Eva Gerth kennt zudem den Fall einer Schule, die zwar energetisch saniert wurde – doch der Lärmschutz wurde dafür herausgerissen. „Belastungen durch hohe Schülerzahlen potenzieren sich durch kleine Räume mit schlechter Akustik“, sagt Gerth.
Für kommunale Träger, so sagt Marlis Tepe, sei die Antragsbewältigung inzwischen zu einer realen Hürde geworden. „Wir brauchen in den Verwaltungen Leute, die den Bedarf der Schulen auch umsetzen können“, fordert die GEW-Chefin. Doch in Bundesländern, in denen nicht einmal die Bildungsplanung steht, würden viele Standorte auch nicht in Angriff genommen. Man wisse schließlich nicht, was aus den Schulen werde. Kritik übt Tepe auch am Ansatz „Bring your own device“, bei dem Schüler Tablets und Handys der Familie im Unterricht einsetzen sollten. Zwar könnte damit individueller Unterricht ermöglicht werden. Aber oftmals funktioniere noch nicht einmal das WLAN der Schule, und es fehle am Einfachsten: Ausreichend erreichbare Steckdosen. Ohnehin könne Schule nicht voraussetzen, dass Kinder aus sozial schwachen Familien mit der nötigen Technik ausgestattet sind.
Helgard Lange unterrichtet an einer Gesamtschule in Magdeburg Mathe und Physik, sie kümmert sich im GEW-Landesvorstand zudem um Fragen des Rechtsschutzes. Vor ein paar Jahren hat sie Schulen in Finnland besucht, sie schwärmt bis heute von den Bedingungen, die sie dort gesehen hat. Allein die vielseitige Ausstattung von Werk- und Hausarbeitsräumen sei um Klassen besser als das, was sie aus ihrem Schulalltag kenne: „Bei uns fehlt es schon an Schraubzwingen“, sagt Helgard Lange. Fehlende Fachräume, Technik, die nicht funktioniert, Computer, die nicht betreut werden, Kopierer, die zweimal pro Woche ausfallen, dazu Schimmel in Wänden und endlose Nachhallzeiten in Turnhallen und Klassenzimmern – all das erschwere die Arbeit ungemein. „Den meisten Kollegen hierzulande fehlt es ja mittlerweile an einer Vision, wie eine tolle Schule aussehen kann.“
Für Marlis Tepe war nach dem Besuch in Magdeburg einmal mehr klar: „Politik muss mehr Geld für Bildung in die Hand nehmen.“