- Was waren für Sie persönlich besonders positive Erfahrungen in der Auslandsschularbeit?
Heike Toldeo: Als Fachberaterin in Polen nahm ich einmal in Masuren an einer DSD-Prüfung teil, in der eine Schülerin das Epische Theater Bertolt Brechts vorstellte. Mir lief ein Schauer über den Rücken, weil mir bewusst wurde, wie großartig das war: Wir organisieren mit den polnischen KollegInnen deutsche Weltliteratur! Oder: An einer bilingualen Schule erlebte ich deutschsprachigen Fachunterricht; Geschichtsunterricht in polnischen Schulen auf Deutsch, das war faszinierend. Meine Kinder waren an der Willy-Brandt-Schule in Warschau, die sich damals zur Begegnungsschule wandelte: Hier paarte sich das erfolgreiche polnische Lernen im Sinne von Wissenslernen mit dem deutschen problemorientierten Lernen. Solche Eindrücke haben mich begeistert.
- Und heute: Wirkt sich die nationalistische Ausrichtung der PiS-Regierung auch auf die Arbeit des Deutschunterrichts in den polnischen DSD-Schulen aus?
Toledo: Wenn die neue Regierung die Bildungsreform durchführt, hat das auch Konsequenzen für die Deutschförderung, weil wir dann die Kooperation mit den Schulen neu aufstellen müssen. Ich sehe aber nicht, dass wir in unseren Unterrichtsinhalten beschnitten werden.
- Anders als in der Türkei, wo am Istanbul Lisesi deutsche Weihnachtslieder verboten wurden. Ist das exemplarisch für Probleme der Auslandsschulen in autoritären Staaten?
Toledo: Generell haben wir bisher keine Probleme, etwa hinsichtlich der Bildungsziele und Lerninhalte, die wir an den Deutschen Auslandsschulen oder an DSD-Schulen in der Türkei verfolgen. Mehr Sorgen machen uns Sicherheitsprobleme der KollegInnen zum Beispiel.aktuell in Caracas oder damals in Kairo. Oder die momentane Naturkatastrophe in Südafrika, wenn das Wasser an der DS Kapstadt fehlt.
- Also, wir hören schon von Verunsicherungen da in der Türkei.
Toledo: Wir haben jetzt eher das Problem, dass wir LehrerInnen in die Türkei vermitteln, die deutsche Staatsbürger mit türkischem Migrationshintergrund sind, und die Türkei sie eventuell anders behandeln könnte als die deutschen KollegInnen. Auf diese besondere Rechtslage weisen wir die KollegInnen auch hin. Wir arbeiten eng mit den Auslandsvertretungen vor Ort zusammen. Bei den Botschaften weltweit existiert im Übrigen eine „Elephant List“, die in Bedrohungssituationen relevant wird.
- Wäre es nicht generell sinnvoll, so etwas wie ein Länderdossier zu erstellen, in dem für die neu entsandten KollegInnen die speziellen rechtlichen, aber auch praktische Fragen des Aufenthalts abgehandelt würden? Wäre das nicht eine notwendige Serviceleistung, die die ZfA mit Hilfe der Schulen erstellen und regelmäßig aktualisieren könnte?
Toledo: Wir und die deutschen Schulen im Ausland müssen sicher noch bessere Serviceleistungen bringen, wenn wir in Zukunft genügend viele und qualifizierte LehrerInnen gewinnen wollen. Das fängt schon bei unserem Internetauftritt an: Unsere Homepage wird gerade so umgebaut, dass wir von den LehrerInnen her denken. Wir brauchen vielleicht einen allgemeinen Kriterienkatalog, den dann die Schulen mit Hinweisen füllen: von der Gesundheit bis zu interkulturellen Fragen. Auch heute schon bereiten wir die LehrerInnen in Vorbereitungslehrgängen und Sicherheitsseminaren auf den Einsatz vor. Darüber hinaus stehen auch die Reisehinweise des Auswärtigen Amtes stets mit aktuellen Informationen auf deren Homepage zur Verfügung.
- Das führt uns zu den Vorbereitungslehrgängen, die die GEW für quantitativ und qualitativ nicht ausreichend hält. Können die LehrerInnen nicht mit einer vergleichbaren Vorbereitung rausgehen wie die GIZ-Leute?
Toledo: Wir machen ja mit der GIZ schon das Sicherheitstraining zusammen. Aber was sagen die Schulleitungen in Deutschland zu einer zeitlichen Ausweitung der Vorbereitungslehrgänge? Machen die KollegInnen das mit? Wir wollen den Bedarf an interkultureller und sonstiger Vorbereitung, wenn nötig, vor Ort ausweiten. Uns gibt natürlich zu denken, dass die Verweildauer kürzer ist als früher. Das kann eventuell auf Defizite in der Vorbereitung verweisen. Die Schulen sind sehr aktiv und haben gutes Informationsmaterial. Wir werden dies zukünftig stärker für die Vorbereitung nutzen.
- Was sind die wichtigsten Aufgaben, die der ZfA und Ihnen in den nächsten Jahren bevorstehen?
Toledo: Nach innen muss die ZfA sich wie alle Verwaltungsinstitutionen in Deutschland modernisieren und digitalisieren, um als Dienstleister besser zu werden. Gerade gegenüber den KollegInnen im Ausland brauchen wir eine kundenfreundliche Betreuung. Die Datenbanken auf den neuesten Stand zu bringen, uns verwaltungsmäßig noch besser aufstellen – das muss alles auch auf mehr Service für die Lehrkräfte hinauslaufen. Im Auftrag des Auswärtigen Amtes bieten wir über unsere Förderung moderne Bildung mit Deutschlandbezug an. Wenn viele Auslandsschulen hinsichtlich Digitalisierung und Medienerziehung schon jetzt geradezu Vorbild sein können für innerdeutsche Schulen, so wollen wir doch mehr: Unterrichtsformate verändern, etwa in Richtung Lernlabore – und das immer im Zusammenhang mit Demokratie- und Werteerziehung. Und dafür brauchen wir befähigte Lehrer. Das gilt auch für das große Thema Inklusion. Wir versuchen den Begriff weit zu fassen: Es geht uns um die Selbstverständlichkeit der Arbeit mit Heterogenität. Und das ist eben mehr als Förderbedarf von gesundheitlich benachteiligten Kindern. Es geht um Bildung für alle. Deswegen kämpfen wir um die Anhebung der Sozial-und Inklusionspauschale, um den Umgang mit Mehrsprachigkeit als Bereicherung an den Begegnungsschulen und insgesamt um eine demokratische Erziehung.
- Wird sich mit der neuen Regierung etwas ändern, insbesondere wenn mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stehen?
Toledo: Sicherlich wird die PASCH-Initiative weitergehen und kann vielleicht noch weiterentwickelt werden. Unter Außenminister Sigmar Gabriel hat es eine gewisse regionale Schwerpunktsetzung gegeben, unter anderem einen stärkeren Europäisierungsgedanken. Die Idee des Euro-Campus könnte dabei stärker betont werden. Wir können die DSD-Schulen noch ausbauen, aber auch an den Deutschen Auslandsschulen tut sich sehr viel, damit die einheimischen Schüler verstärkt ein Studium in Deutschland ins Auge fassen. Und die Schulen können noch mehr als Anlaufstelle für Kulturbegegnung in die Fläche wirken, eine Art Kompetenzzentrum werden. Die Schulen vernetzen sich dafür regional. Das Humboldt-Jahr 2019 ist ein schöner Anlass, diese stärkere Außenwirkung der Schulen in Südamerika zu thematisieren. Und dann haben wir jetzt noch die Deutsch-Profil-Schulen, die auch großes Potential bieten. Insgesamt werden sich zunehmend Lerngruppen aus verschiedenen Ländern vernetzen und digital gemeinsam an einem Projekt arbeiten, also internationale Lerngemeinschaften bilden – so werden die SchülerInnen ja später auch in ihren Berufen arbeiten.
- Harter Schnitt: Wie steht es mit dem Versorgungszuschlag für (beamtete) Ortslehrkräfte?
Toledo: Da sind wir ganz stark dabei…
- Aber das hören wir schon seit sechs Jahren…
Toledo: Ja, klar muss da was passieren und die Signale vom Auswärtigen Amt sind da. Und wir zählen auf die Länder, die den 50-Prozent-Anteil zahlen. Wir brauchen allein deswegen eine Regelung, weil wir dann mehr Lehrerehepaare als Bewerber bekämen. Das Recruiting-Paket muss aber größer sein: Bei den heutigen 30- bis 40-Jährigen geht es nicht nur um Geld, auch um Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um Sinnhaftigkeit, um Selbstverwirklichung, um Gestaltungsmöglichkeiten: Das alles müssen wir bedenken, wenn wir die Auslandsschularbeit attraktiv darstellen wollen. Wir haben nun die finanzielle Situation besonders für die ADLK und BPLK deutlich verbessert. Und da wird auch weiterhin einiges geschehen müssen. Aber Geld allein schießt keine Tore.
- Ein Ärgernis ist auch, dass die KollegInnen aus den verschiedenen Bundesländern hinsichtlich Beförderung im Ausland ungleich behandelt werden.
Toledo: Der Bund ist für eine einheitliche Regelung, aber kann und darf sich der Bund hier einmischen?
- Die GEW fordert seit Jahren ein Auslandsschulamt. Ihr Vorgänger Joachim Lauer hat in seiner Abschiedsrede erstmals zugegeben, dass an der Idee etwas dran sein könnte. Wie stehen Sie dazu?
Toledo: Zunächst müssten wir klären, was genau ein Auslandsschulamt ist. Manche Einwände des Bundesrechnungshofes könnte man in dieser Richtung interpretieren. Schulleiter könnten in der Tat unabhängiger werden, wenn ihr Status sich veränderte. Aber wir müssen auch bedenken, dass wir kein französisches System haben, vielmehr private Schulträger, und wir durchschnittlich nur 30 Prozent der Kosten einer Schule finanzieren. Wir könnten auch viele Schulen verlieren--. Was wäre eine andere Rechtsform genau?
- Aber Konflikte zwischen Schulleitern und Schulverein sorgen ja immer wieder für Spannungen und Verwerfungen an Deutschen Auslandsschulen.
Toledo: Die potentiellen Schwierigkeiten zwischen Pädagogik und Vorständen hängen ja nicht nur vom Rechtsstatus ab. Wir wollen gute Vorstandsarbeit durch ein entsprechendes Qualitätsmanagement noch mehr fördern und erwarten auch von Schulleitern ein Verständnis für betriebswirtschaftliche Dinge. Wir wollen die Schulvorstände stärker einbinden und mit ihnen einen Konsens über einen gemeinsamen Qualitätsrahmen herstellen.
- Seit 2016 gibt es das jährlich einmal tagende Austauschforum mit Direktoren und Verwaltungsleitern. Sollten die Lehrerorganisationen nicht als reguläre Vertretung statt nur als Gäste dort dabei sein?
Toledo: Im Augenblick geht es noch um die Einbeziehung der Vorstände, also haben wir dann drei Beiräte. Ob Sie, der VDLiA und der WDA als Lobbyverband stärker verankert sein sollten als über den Gästestatus, glaube ich eigentlich nicht. Wenn sich herausstellen sollte, dass sie durch den Gaststatus beschnitten sein sollten, müsste man das noch einmal erörtern. Wir wollen auch keine Parallelstrukturen aufbauen. Das Auslandsschulqualitätsmanagement steht im Mittelpunkt dieses Austauschforums.
- Und welche Erwartungen haben Sie an uns, an die GEW?
Toledo: Wir haben hoffentlich weiterhin regelmäßig Treffen, die auch aus meiner Sicht sehr ergiebig sind. Sie haben das Ohr in mancher Hinsicht dichter an den KollegInnen und können deren Probleme mit uns erörtern. Und Sie haben sicherlich auch ein Gehör für die Gruppen, die sich benachteiligt fühlen, und das an uns herantragen. Es ist uns auch wichtig zu hören, wie Sie und die KollegInnen unsere Arbeit als Behörde wahrnehmen. Solche Tagungen, wie Sie sie in Mariaspring durchführen, sehen wir als wichtiges Begegnungs- und Rückmeldungsforum an. Sie müssen uns auf die Füße treten, das ist die Rolle, die wir weiterhin gern von Ihnen eingenommen haben wollen.
- Zum ersten Mal ist an der Spitze der ZfA eine Frau, und inzwischen sind 60 Prozent der Beschäftigten im Auslandsschuldienst Frauen. Möglicherweise sind an Sie nun auch andere Erwartungen gerichtet, zum Beispiel andere Formen von Kommunikation.
Toledo: Führung muss sich insgesamt verändern, die klassischen Rollenklischees aufgeben. Alle sind gezwungen, anders zu kommunizieren. Wenn wir an die veränderten Arbeitssituationen denken, zum Beispiel Telearbeit, Gleitzeit, mobiles Arbeiten, dann ergibt sich daraus ein Zwang zu einem neuen angemessenen Führungsstil. Wir sprechen heute von Kooperationsgesprächen, nicht von Beurteilungsgesprächen. Das hat nichts mit Gender zu tun, sondern mit der Auffassung von einer neuen Führungskultur, die mit einer modernen kundenorientierten Behördenkultur einhergeht. Und die wird ganz stark bei uns im Haus gelebt.