Debatte um „Neutralität“
Lehrkräfte sollten klar gegen Rechtsextremismus Stellung beziehen
GEW-Vorsitzende Maike Finnern fordert in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung von Lehrkräften eine eindeutige Haltung gegen Rechtsextremismus und weist die Erwartung politischer Neutralität im Klassenzimmer zurück.
Im Interview mit der Stuttgarter Zeitung macht GEW-Vorsitzende Maike Finnern deutlich: „Ich wünsche mir, dass möglichst viele Lehrerinnen und Lehrer klar Stellung gegen Rechtsextremismus beziehen. Auch im Klassenzimmer und in der Lehrerkonferenz.“ Dabei zeigt die GEW-Vorsitzende Verständnis für die Herausforderungen der Lehrkräfte: „Ich weiß, dass das insbesondere den Kolleginnen und Kollegen, die in Gegenden mit hohen AfD-Wahlergebnissen arbeiten, viel Zivilcourage abverlangt. Vor deren Engagement und Mut habe ich großen Respekt.“
Lehrkräfte müssen nicht neutral sein
Zur häufig geäußerten Erwartung politischer Neutralität von Lehrkräften stellt Finnern klar: „Diese Erwartung ist falsch.“ Sie betont, dass Lehrkräfte zwar nicht für bestimmte Parteien werben dürfen und alle Facetten eines Themas beleuchten müssen, damit sich Schülerinnen und Schüler eine eigene Meinung bilden können. Dennoch gelte: „Sie müssen aber nicht neutral sein: Sie haben als Lehrkräfte geschworen, die Demokratie und deren Werte zu verteidigen.“ Die GEW-Vorsitzende konkretisiert: „Es ist also nicht nur ihr Recht, es ist ihre Pflicht, das Grundgesetz zu verteidigen. Das gilt selbstverständlich auch und besonders im Klassenzimmer.“
1. Überwältigungsverbot
Es ist nicht erlaubt, den Schüler – mit welchen Mitteln auch immer – im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der „Gewinnung eines selbständigen Urteils“ zu hindern. Hier genau verläuft nämlich die Grenze zwischen Politischer Bildung und Indoktrination. Indoktrination aber ist unvereinbar mit der Rolle des Lehrers in einer demokratischen Gesellschaft und der – rundum akzeptierten – Zielvorstellung von der Mündigkeit des Schülers.
2. Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen.
Diese Forderung ist mit der vorgenannten aufs engste verknüpft, denn wenn unterschiedliche Standpunkte unter den Tisch fallen, Optionen unterschlagen werden, Alternativen unerörtert bleiben, ist der Weg zur Indoktrination beschritten. Zu fragen ist, ob der Lehrer nicht sogar eine Korrekturfunktion haben sollte, d. h. ob er nicht solche Standpunkte und Alternativen besonders herausarbeiten muss, die den Schülern (und anderen Teilnehmern politischer Bildungsveranstaltungen) von ihrer jeweiligen politischen und sozialen Herkunft her fremd sind.
Bei der Konstatierung dieses zweiten Grundprinzips wird deutlich, warum der persönliche Standpunkt des Lehrers, seine wissenschaftstheoretische Herkunft und seine politische Meinung verhältnismäßig uninteressant werden. Um ein bereits genanntes Beispiel erneut aufzugreifen: Sein Demokratieverständnis stellt kein Problem dar, denn auch dem entgegenstehende andere Ansichten kommen ja zum Zuge.
3. Der Schüler muss in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren,
sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen. Eine solche Zielsetzung schließt in sehr starkem Maße die Betonung operationaler Fähigkeiten ein, was eine logische Konsequenz aus den beiden vorgenannten Prinzipien ist. Der in diesem Zusammenhang gelegentlich erhobene Vorwurf einer „Rückkehr zur Formalität“, um die eigenen Inhalte nicht korrigieren zu müssen, trifft insofern nicht, als es hier nicht um die Suche nach einem Maximal-, sondern nach einem Minimalkonsens geht.
Konsequenzen bei AfD-Mitgliedschaft
Bezüglich der Verbeamtung von AfD-Mitgliedern vertritt Finnern eine klare Position. Bei einer gesichert rechtsextremen Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz erklärt sie: „Wenn die AfD gesichert rechtsextrem ist, kann ein AfD-Mitglied grundsätzlich nicht verbeamtet werden.“ Beamtinnen und Beamte schwören einen Eid, die Verfassung zu verteidigen, so Finnern. „Wenn jemand einer rechtsextremen Partei angehört, kann man aber davon ausgehen, dass er das Gegenteil tut.“
GEW fordert stärkere Präventionsarbeit
Laut Finnern muss auch die Lehrkräfteausbildung angepasst werden: Der Umgang mit Extremismus und Populismus müsse eine größere Rolle spielen. Dabei dürften die Schulen nicht allein gelassen werden, sondern bräuchten Unterstützung durch externe Experten.
Die zentrale Forderung der GEW bleibt eindeutig: Lehrkräfte müssen ihre demokratische Verpflichtung ernst nehmen und aktiv für die Werte des Grundgesetzes einstehen – mit einer klaren Haltung.