Drei Wochen hatten LehrerInnen und Lehrer in Polen im April für bessere Bezahlung gestreikt. Nun unterrichten sie wieder. Der Vorsitzende der größten polnischen Lehrergewerkschaft ZNP, Slawomir Broniarz erklärte, der Streik sei bis zum 1. September, dem traditionellen Schulbeginn in Polen, "ohne Einigung ausgesetzt". Die LehrerInnen hatten sich nach Angaben der ZNP zu 80 Prozent, nach Angaben der Regierung zu 50 Prozent am landesweiten Streik beteiligt.
Beinharte Haltung der Regierung
Zwar hatte die beinharte Haltung der konservativen (und teilweise reaktionären) PiS-Regierung mit ihren zynischen "Angeboten", etwa von geringfügigen Lohnerhöhungen bei gleichzeitiger Arbeitszeitverlängerung, unter den Streikenden Empörung ausgelöst. Dennoch war die streikführende ZNP unter immer stärkeren Druck geraten. Nicht nur, weil die streikenden Lehrerinnen und Lehrer seit fast 3 Wochen kein Gehalt mehr bekommen hatten wegen der kompromisslosen Haltung der Regierung und der Stimmungsmache in großen Teilen der Medien, die die Streikenden als "gierig", "faul" oder "politisiert" diffamierten. Schließlich forderte auch die liberale Opposition ein Aussetzen des Streiks.
Abiturprüfungen ohne Lehrkräfte
Der ZNP-Vorsitzende Broniarz begründete die Aussetzung damit, dass die bevorstehenden Abiturprüfungen sonst in einem "Chaos" zu verlaufen drohten. Dafür verantwortlich machte er die Regierung, die ein neues Bildungsgesetz innerhalb von nur zwei Tagen im Parlament und mit Zustimmung des Staatspräsidenten verabschieden lassen wollte, das es den Kommunen erlaubt hätte, die Prüfungen auch ohne die LehrerInnen durchzuführen. Über die Zulassung der SchülerInnen zur Abiturprüfung entscheidet in Polen eigentlich der "Pädagogische Rat", eine Art Lehrerkonferenz. Nach dem Gesetz hätten Schulleiter jedoch die Möglichkeit gehabt, auch ohne das Votum der Fachlehrkräfte die Zulassung zum Abitur zu erteilen.
Nonnen und Priester als StreikbrecherInnen
Schon in der ersten Phase des Streiks hatte die Regierung die Mittelstufen-Prüfungen mit Hilfe nicht fachlich qualifizierter LehrerInnen durchführen lassen, etwa von Nonnen und Priestern, die sonst nur Religionsunterricht erteilen oder durch das Anwerben pensionierter LehrerInnen. Die Nicht-Durchführung der Abitur-Prüfungen war zweifellos die stärkste Waffe, die die streikenden Lehrerinnen und Lehrer in der Hand hatten. Insofern interpretieren manche die Aussetzung des Streiks als das Eingeständnis einer Niederlage. Die ZNP vertraut nun darauf, Anfang September neuen Druck ausüben zu können, wenn der Wahlkampf für die Parlamentswahlen beginnt.
Gespaltene Gesellschaft
Der Streik hat deutlich gemacht, wie gespalten die polnische Gesellschaft ist. Die Regierung treibt diese Polarisierung mit ihrem ideologischen Kampf voran. Wer nicht auf ihrer Seite ist, wird rücksichtslos bekämpft. Sie ist nicht in der Lage, soziale Konflikte zu lösen, sie verschärft diese noch. Mit ihrer harten Haltung gegenüber den Forderungen der Lehrerinnen und Lehrer will sie auch ein Signal an die Gewerkschaften für künftige Auseinandersetzungen senden: Versucht es gar nicht erst mit Streik, wir werden ihn mit propagandistischen Feldzügen, juristischen Tricks oder eben mit Gesetzesänderungen desavouieren.