"68er"-Generation im Seniorior*innenstudium: Auf der Suche nach persönlicher Neuorientierung
Bernd Steinhoff, Geschäftsführer des generationenübergreifenden Studiums an der Pädagogischen Hochschule Freiburg, betonte, dass Wissen und somit Universitäten eine zunehmend größere Bedeutung einnähmen. Nicht nur die Jugendzeit sondern alle Lebensphasen seien zum Lernen da. Mit dem Strukturplan habe der Deutsche Bildungsrat im Jahr 1970 das gesamtgesellschaftliche Interesse an einer Bildungsbeteiligung in allen Altersgruppen hervorgehoben und den Weg hin zum Lernen bis ins Alter geebnet. Seit 1979 kam es zu einer Öffnung der Hochschulen für Seniorinnen und Senioren. Es entwickelten sich zwei Modelle: In Dortmund der Studiengang für nachberufliche Tätigkeiten (pädagogisch), in Marburg das allgemeinbildende Studium, das sich weitestgehend durchgesetzt habe. In Berlin gäbe es ein weiteres qualifikationsorientertes Studienangebot.
Formale Anforderungen gäbe es für das Studium im Alter nicht. Die Seniorinnen und Senioren seien im Studium zwischen 40 und 90 Jahren, viele hätten das Abitur und einen Hochschulabschluss. Mit der Generation der "68er" rücke das Ziel der persönlichen Neuorientierung ins Seniorior*innenstudium.
Die PH Freiburg erfülle die heterogenen Ansprüche mit einem Orientierungsstudium, themengeleitetem Studium (Ringvorlesung, Seminare), qualifikationsorientiertem Studium (Projekte, Fortbildungen) und Arbeitskreisen (selbstorganisiertes Studium). Letztere seien besonders gefragt und erfolgreich. Doch auch das intergenerationelle Lernen, indem Ältere gemeinsam mit jüngeren Studierenden an den Lehrangeboten teilnehmen, sei beliebt.
Ältere lernen in Netzwerken ‑ Junge lernen Neues wie Vokabeln
Wilfried Rehfeld, Mitglied des Vorstandsteams der GEW Bundesfachgruppe Erwachsenenbildung und Geschäftsführer des dialog-Bildungswerkes Greven, unterstrich, dass sich die Erwachsenenbildung prinzipiell an alle Altersgruppen richte. Es gäbe abschlussorientierte Bildungsbereiche, Bereiche der beruflichen Bildung ebenso wie der politischen, kreativen und Familienbildung. Die Finanzierung sei jedoch unterirdisch: Gerade einmal 0,46 Prozent des Bildungsbudgets werde in Deutschland für Weiterbildung aufgewendet. Fachleute forderten mindestens 1 Prozent. Die prekären Arbeitsbedingungen könnten bei einer solchen Unterfinanzierung kaum verbessert werden. Rehfeld hob hervor, dass ältere Menschen verstärkt in Netzwerken lernten - sie dockten beim Lernen an ihren Erfahrungsschatz an. "Das können junge Menschen nicht. Sie lernen Neues wie Vokabeln."
Weiterbildung dürfe nicht auf ihre Arbeitsmarktverwertbarkeit verengt werden. Dies blende den politischen Bildungsmoment aus. Am Beispiel von Deutsch- bzw. Integrationskursen zeige sich eine weitere Problematik: Ehrenämtler*innen dürften Lehrkräften nicht die Arbeit wegnehmen. Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren und einbringen wollten, sollten als Mentor*innen agieren und Lehrkräfte in ihrer Tätigkeit begleiten und unterstützen. Zudem müsse der Unterschied zwischen "Arbeiten müssen" und "Arbeiten wollen" im Alter gemacht werden. Nicht jede und nicht jeder könne im Alter von seinen/ihren Rentenansprüchen leben.
GEW-Veranstaltung | 11. Deutscher Seniorentag | 2. Juli 2015 | Frankfurt am Main