Debatte um „Nichtsemester“
Länder verlängern Regelstudienzeiten
Immer mehr Bundesländer kündigen an, die Regelstudienzeiten für im Sommersemester eingeschriebene Studierende zu erhöhen. Ein Erfolg der GEW.
Gleich zu Beginn der Coronakrise hat sich die GEW mit Hochschullehrerinnen und -lehrern sowie Studierendenorganisationen dafür ausgesprochen, das Sommersemester 2020 nicht zum Nachteil von Studierenden oder befristet beschäftigten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu zählen. Mit Erfolg: Nach der Coronanovelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) im Mai kündigen jetzt immer mehr Länder an, die Regelstudienzeiten für im Sommersemester eingeschriebene Studierende pauschal um ein Semester zu erhöhen.
„Hochschulen, Lehrende und Studierende werden alles tun, um für einen geordneten Lehr-, Forschungs- und Studienbetrieb zu sorgen. Dafür benötigen sie die Unterstützung von Bund und Ländern. Aber es darf niemand dafür bestraft werden, dass sie oder er in Folge der Coronakrise die erwarteten Leistungen nicht erbringen kann. Das Semester darf daher nicht zählen: weder bei der Ausbildungsförderung noch bei befristeten Arbeitsverträgen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende und Hochschulexperte der GEW, Andreas Keller, am 23. März. In den folgenden Wochen zeigte sich: Die Hochschulen nahmen zwar den Lehrbetrieb in digitaler Form auf, doch für Lehre und Studium, Forschung und wissenschaftlicher Qualifizierung ergaben sich aufgrund geschlossener Einrichtungen oder Nutzungseinschränkungen erhebliche Beeinträchtigungen und Verzögerungen.
Nichtsemester, Kannsemester, Solidarsemester
Ein Teilerfolg war die Coronanovelle des WissZeitVG im Rahmen des im Mai von Bundestag und Bundesrat verabschiedeten Wissenschafts- und Studierendenunterstützungsgesetzes. Befristete Arbeitsverträge mit im Sommersemester beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern können um sechs Monate verlängert werden – auch über die Höchstbefristungsdauer von sechs Jahren vor und weiteren sechs (in der Medizin neun) Jahren nach der Promotion hinaus. Der Pferdefuß: Es handelt sich um eine Kann-Bestimmung. Ob die Verträge tatsächlich verlängert werden, entscheiden allein die Arbeitgeber. Das hatte die GEW in ihrer Stellungnahme zum Gesetz kritisiert.
Gute Nachrichten für Studierende in vielen Bundesländern: Eine Reihe von Ländern hat angekündigt, die Regelstudienzeit für alle, die im Sommersemester 2020 eingeschrieben sind, um ein Semester zu erhöhen. Wer aktuell noch in der Regelstudienzeit studiert und BAföG-berechtigt ist, kann mit einem zusätzlichen Semester BAföG rechnen. Sofern für die Überschreitung der Regelstudienzeit Sanktionen wie Langzeitgebühren drohen, ist auch hier mit einem entsprechenden Aufschub zu rechnen. Die bundesweite Dachorganisation der Studierendenvertretungen, der freie zusammenschluss von student*innenschaften (fzs), hat auf seiner Website eine Übersicht über den Stand der Dinge in den Ländern erstellt.
BAföG anpassen
„Die Initiative von Lehrenden, Studierenden und der Bildungsgewerkschaft GEW setzt sich durch. Die Bundesländer verlängern wegen der Coronapandemie die Regelstudienzeiten. Geht doch!“, sagte GEW-Vize Keller. Zugleich forderte er die Große Koalition in Berlin auf, auch das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) anzupassen. „Ob das BAföG verlängert wird oder nicht, sollte nicht davon abhängen, in welchem Bundesland man studiert. Wir brauchen eine bundeseinheitliche Verlängerung des BAföG-Anspruchs um die Zeit der pandemiebedingten Beeinträchtigung, mindestens ein Semester. Das zusätzliche Semester muss außerdem als Vollzuschuss gewährt werden, damit sich der Schuldenberg der BAföG-Empfängerinnen und -Empfänger nicht wegen Corona weiter erhöht“, sagte Keller.