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Kongress der palästinensischen Lehrergewerkschaft in Ramallah

Vom 16. bis 18. Januar fand in der Hauptstadt der besetzten Gebiete des Westjordanlands, Ramallah, der Kongress der größten palästinensischen Lehrergewerkschaft GUPT statt. Der GEW-Kollege Franz Dwertmann war als Gast dabei.

Florian Lascroux

Die ‘General Union of Palestine Teachers’ (GUPT) hat 27. 000 Mitglieder und ist eng mit der regierenden PLO verbunden. Über ein Drittel der Mitglieder konnten auf dem Kongress allerdings nicht durch Delegierte vertreten werden, da sie im Gazastreifen leben oder in den Camps der palästinensischen „Diaspora“ unterrichten. Die Lehrer der Fatah in Gaza unterrichten seit dem Konflikt mit der Hamas nicht mehr in den dortigen Schulen, weil die Hamas ihre eigenen Leute eingesetzt hat, die oft keine Qualifikationen für den Lehrerberuf haben. Die Lehrer in den Camps haben eine eigene gewerkschaftliche Vertretung, da die Schulen dort von dem Hilfswerk der Vereinten Nationen UNRWA (United Nations Relief and Works Agency) unterhalten werden. Seit 2004 gibt es auch einen unabhängigen Gewerkschaftsverband für Lehrer (FIUP), der für die „Förderung demokratischer Werte, sozialer Gerechtigkeit und zivilgesellschaftlicher Partizipation“ stehe – nach dem Gewerkschaftsreport der Friedrich-Ebert-Stiftung für Palästina. Ihr Einfluss scheint aber sehr gering zu sein.

Lehrerstreik wegen ausstehender Gehälter
Der Kongress der 1969 gegründeten GUPT fand erstmalig seit dreißig Jahren wieder statt, nicht zuletzt auf Druck der Bildungsinternationalen (BI), deren Mitglied die GUPT ist. Offensichtlich hatte auch Präsident Abbas persönlich die Ablösung des bisherigen Generalsekretärs, Mohammad Suwan, veranlasst. Es nahmen etwa 180 Delegierte teil, die von den verschiedenen Distrikten benannt worden waren. Wegen der Kurzfristigkeit der Einladung konnten nur fünf Vertreter internationaler Gewerkschaften teilnehmen (Norwegen, Griechenland, Frankreich, USA, Deutschland). Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen die Überarbeitung der veralteten Satzung und die Wahlen zum Zentralkomitee und die des Generalsekretärs. Der Kongress wurde begleitet von einem landesweiten Lehrerstreik, da die palästinensichen Lehrkräfte seit zwei Monaten kein Gehalt ausgezahlt bekommen hatten - eine Folge der Nichtauszahlung der Steuern durch die israelische Regierung als Antwort auf die Aufwertung der Palästinenser in der UN. Offiziell betont die israelische Regierung, dass sie mit dem Geld nur die Elektrizitätsschulden der Palästinenser bezahle.

Prekäre finanzielle Lage der Lehrergewerkschaft
Hier wird ersichtlich, dass der israelisch-palästinensische Konflikt über allem lagert und präsent ist ebenso wie der latente Konflikt mit der Hamas, die in der Westbank auch unter den Lehrern stark ist, aber nicht auf dem Kongress präsent sein durfte. Achtzig Prozent der Lehrkräfte sind Frauen, auf dem Kongress waren aber nur etwa zwanzig Prozent weibliche Delegierte vertreten. Viele Gewerkschaftsmitglieder sind auch arbeitslos oder nur teilzeitbeschäftigt. Dies alles führt dann natürlich auch zu einer prekären finanziellen Situation der Gewerkschaft. Die Lehrer haben im Alltag nicht nur mit großen Klassen und schlechten materiellen Bedingungen zu kämpfen, sondern oft auch damit, wegen der vielen Checkpoints überhaupt zur Schule zu kommen. Am Rande wurde auch der desolate Zustand der Lehrerausbildung kritisiert, mangelnde didaktische und methodische Kompetenzen sowie die Förderung eines Schwarz-Weiß-Denkens (Hass auf alles Israelische).

Hitzige Debatten
In der Konferenz selbst spielten aber bildungspolitische und schulische Fragen i.e.S. keine Rolle: Es ging zunächst um Mitgliedsbeiträge, Stimmrecht von Pensionären und Lehrern in der Ministerialbürokratie, Zahlungen aus einem Gewerkschaftsfonds oder um den Anspruch der GUPT, alle Kategorien von Lehrern zu vertreten. Die Delegierten berieten in 8 Komitees politische, internationale, finanzielle, Bildungs-, Mitgliedschafts- und Öffentlichkeitsarbeits-Fragen. Dominierend, auch zeitlich, aber war die Satzungsdebatte. Die Auseinandersetzungen waren so engagiert, hitzig und zeitraubend, dass man schließlich nur ein Viertel der Änderungsanträge erörtern und abstimmen konnte. Als erstes ging schon der Vorschlag der Satzungskommission, den „bewaffneten Kampf“ gegen die Besatzung durch einen „Kampf mit allen Mitteln“ zu ersetzen nicht durch. Viele lagen sich danach in den Armen. Ähnlich erging es dem Begriff der „zionistischen Okkupation“ oder der geplanten Änderung der Wahlverfahren, die offensichtlich den dominierenden Einfluss der Fatah in Frage stellten. Die Forderung einiger engagierter Frauen nach einer 20 % Quote konnte sich ebenfalls nicht durchsetzen. So blieb es bei einigen eher marginalen Wahlrechtsänderungen.

Wahlen zu nächtlicher Stunde
Die Satzungsdebatte wurde nachts um 1.30 h abgebrochen, als der Referent der Satzungskommission entnervt das Podium verließ und der frustrierte Verhandlungsleiter wegen unübersichtlicher Situationen Pausen verordnen musste und dann die Satzungsdebatte beendete. Es folgte die Wahl zum Zentralkomitee der GUPT. Es gab eine vorbereitete (PLO-orientierte) Liste, aber drei Einzelkandidaten brachten das Verfahren durcheinander. Nach einer weiteren Pause wurde die PLO-Liste zum Sieger erklärt, die unabhängigen Kandidaten hatten zurückgezogen. Das Zentralkomitee wählte dann noch eine Art geschäftsführenden Vorstand.