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Tagung zur Bildungsfinanzierung

Kommt die Mehrwertsteuererhöhung?

„Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft. Rolle und Finanzierung von Bildung in diesem Prozess“: Damit befassten sich GEW, Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik.

Der Investitionsstau im Bildungssystem ist riesig. Gleichzeitig drohen in den kommenden Jahren weitere Kürzungen in diesem Bereich. (Foto: Dominik Buschardt)

Jährlich 60 Milliarden Euro – und das zehn Jahre lang. So viel müsse der Staat laut einer gemeinsamen Studie der Hans-Böckler-Stiftung und des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft zusätzlich investieren, um die Herausforderungen der Klimakrise, des demografischen Wandels, der Digitalisierung und des Ausbaus des Bildungswesens zu bewältigen. Angesichts dieser Zahlen sei der jüngste Streit der Bundesregierung um einzelne Milliarden „absolut lächerlich“. Das erklärte Professor Achim Truger, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Er kritisierte die Schuldenbremse, die es Bund und Ländern enorm erschwere, Kredite für Investitionen aufzunehmen. Zwar diskutiere der Bundestag eine Reform der Schuldenbremse. Doch dies reiche nicht aus.

Der Wirtschaftswissenschaftler der Universität Duisburg-Essen plädierte für einen anderen Schritt: die Schaffung eines Infrastrukturfonds nach Schweizer Vorbild: „So ein Fonds bietet zehn Jahre Planungssicherheit.“ Truger rechnet allerdings damit, dass die Bundesregierung einen anderen Weg wählt – und die Mehrwertsteuer erhöht. „Auffallend oft“ werde derzeit betont, dass die Mehrwertsteuer im internationalen Vergleich doch gar nicht so hoch sei. Eine derartige Steuererhöhung belaste zwar vor allem Menschen mit geringem Einkommen, sei also „verteilungsmäßig schlecht“, unterstrich Truger. „Aber wenn sie denn käme, würde sie den öffentlichen Haushalten eine Menge Luft verschaffen.“

„Erträge aus Bildung habe ich erst in zehn Jahren.“ (Prof. Mechthild Schrooten)

Professorin Mechthild Schrooten von der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik ergänzte: Im Jahr 2023 seien bundesweit rund 830.000 Kinder eingeschult worden, mehr als je zuvor. Die Zahl der Studierenden gehe zurück, die Zahl der Erstsemester hingegen sei 2023 gestiegen. Trotz der großen Bedeutung der Bildung werde in diesem Sektor gern der Rotstift angesetzt. Denn Bildung sei nicht unmittelbar produktiv. „Erträge aus Bildung habe ich erst in zehn Jahren.“ Gleichzeitig steigen die Ausgaben für Verteidigung. „Darüber gibt es keine große gesellschaftliche Diskussion“, kritisierte Schrooten.

Bestehende Angebote erweitern

Gerhard Bosch, Senior Professor an der Universität Duisburg-Essen, erläuterte, was die gegenwärtige schwache Konjunktur und die Transformation für den Arbeitsmarkt bedeuten. „Wir verlieren im Moment Arbeitsplätze in den tariflich gesicherten Bereichen“, sagte der Soziologe. Viele Beschäftigte seien gezwungen, in nicht-tarifgebundene Betriebe zu wechseln. „Da gibt es Einkommensverluste von bis zu 30 Prozent.“ Um die Weiterbildung zu fördern, empfahl Bosch, nicht Sonderprogramme aufzulegen, sondern bestehende Angebote zu erweitern. Etwa das BAföG, das auch beim Besuch von Abendschulen oder Berufsfachschulen gezahlt wird. 

In Schweden sei es seit Jahren möglich, dass Menschen bis zum Alter von 55 Jahren ein derartiges Angebot nutzen. In Deutschland werde dies jetzt nachgeholt. Inzwischen liege das Höchstalter für BAföG-Empfängerinnen und -Empfänger bei 45 Jahren – „was leider keiner weiß“. Bosch plädierte dafür, das BAföG zu einem System des Lebenslangen Lernens auszubauen.

„Die Gewerkschaften müssen mit Bündnispartnern in die öffentliche Wahrnehmung bringen, dass es um Verteilung geht.“  (Maike Finnern)

Ansgar Klinger und Kai Eicker-Wolf von der GEW-Arbeitsgruppe Bildungsfinanzierung erläuterten, wie groß der Mangel an Lehrkräften in den kommenden Jahren sein wird. 2022/23 waren an Berufsbildenden Schulen 31,3 Prozent aller Lehrkräfte mindestens 55 Jahre alt. Um das Lehrpersonal an diesen Schulen auf dem Stand von 2021 zu halten, müssten bis 2035 jährlich 5.297 Lehrkräfte eingestellt werden. Laut Prognose betrage der potenzielle Zugang aber lediglich 4.312 pro Jahr. Folge: Der Lehrkräftemangel nimmt zu. An allen Schulformen fehlten aktuell 35.500 Lehrerinnen und Lehrer. Im Jahr 2034 werden es 73.800 sein.

Im abschließenden Podiumsgespräch erklärte die GEW-Vorsitzende Maike Finnern: „Die rechtsextremen Parteien haben es geschafft, den Kulturkampf als Thema zu setzen.“ Dem gelte es entgegenzutreten. „Die Gewerkschaften müssen mit Bündnispartnern in die öffentliche Wahrnehmung bringen, dass es um Verteilung geht.“ Die GEW beteilige sich deshalb an der Kampagne „Superreiche besteuern“. Finnern forderte zudem, für vom Strukturwandel betroffene Kommunen – etwa im Ruhrgebiet – eine Altschuldenregelung zu schaffen. Es sei wichtig, „dass die Kommunen funktionstüchtig gehalten werden“.