Fotos: Central Unitaria de Trabajadores de Colombia (CUT), Manfred Brinkmann
Nichts ist gut in Kolumbien. Ein Jahr nach der Zustimmung des Europäischen Parlaments für ein umfassendes Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kolumbien, das im August dieses Jahres in Kraft getreten ist, nehmen die Morde und Bedrohungen von GewerkschafterInnen wieder zu. Vom 1. Januar bis zum 10. Dezember 2013, dem internationalen Tag der Menschenrechte, wurden mindestens 26 Morde, 13 Mordversuche, 149 Bedrohungen, 28 Fälle von gewaltsamen Übergriffen und 13 willkürliche Verhaftungen von GewerkschafterInnen registriert. Dies ist ein vorläufiges und sicher nicht vollständiges Ergebnis auf Grundlage von Informationen, die die Escuela Nacional Sindical (ENS), zusammengetragen hat. Die ENS, eine gewerkschaftliche Forschungs- und Bildungseinrichtung in der kolumbianischen Millionenstadt Medellin, die vom DGB Bildungswerk gefördert wird, dokumentiert seit Jahren die Gewalt gegen GewerkschafterInnen in dem Andenstaat.
Gewalt gegen Gewerkschafter bleibt traurige Realität
Die Zahlen geben Anlass zu großer Besorgnis. Nachdem in den letzten Jahren ein langsamer, aber stetiger Rückgang der Gewalt gegen Gewerkschafter zu verzeichnen war, dokumentieren die jüngsten Zahlen eine negative Trendwende. So sind im Jahr 2013 bisher vier Fälle von Mord und sechs Fälle von Anschlägen auf das Leben gegen GewerkschafterInnen mehr registriert worden als 2012. Diese Zahlen zeigen, dass trotz der Ankündigung der kolumbianischen Regierung im Vorfeld des umstrittenen Freihandelsabkommens mit der Europäischen Union, verstärkte Anstrengungen zur Gewährleistung von Arbeitnehmerrechten und zum Schutz aktiver GewerkschafterInnen zu unternehmen, Gewalt und Bedrohung von Arbeitnehmervertretern noch immer traurige Realität in Kolumbien sind. Dazu kommt der Unwille und die Unfähigkeit der Justiz, gegen die Straflosigkeit von Gewaltverbrechen entschieden vorzugehen.
Jeder fünfte ermordete Gewerkschafter ist ein Lehrer
Die Analyse der Industrie-, Agrar- und Dienstleistungssektoren mit den höchsten Zahlen antigewerkschaftlicher Gewalt ergibt, dass der Bergbau mit 25 Prozent am meisten betroffen war, gefolgt vom verarbeitenden Gewerbe mit 19 Prozent, dem Bildungswesen mit 18 Prozent sowie der Landwirtschaft, Jagd und Fischerei mit 13 Prozent. Dies macht deutlich, dass die antigewerkschaftliche Gewalt in den Schlüsselsektoren der kolumbianischen (Export-)Wirtschaft und im Bildungswesen stattfindet. Was die mutmaßliche Täterschaft der Gewaltverbrechen angeht, gibt es in 54 Prozent der Fälle keinerlei Informationen. Dort, wo man die Täter kennt oder vermutet, sind 72 Prozent rechtsgerichteten Paramilitärs zuzuordnen, zwanzig Prozent staatlichen Stellen und sechs Prozent den linken Guerrillaorganisationen FARC und ELN. Ein geringerer Prozentsatz wird der gewöhnlichen Kriminalität oder Unternehmen zugeschrieben.
Frauen im Fadenkreuz
Eine besonders schwerwiegende Form von Gewalt stellen die Angriffe auf gewerkschaftlich aktive Frauen dar. Dies zeigt die Erfahrung der Vorsitzenden der Gewerkschaft der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst in der Stadt Santander (ASTDEMP), die seit 2004 permanent Ziel von Bedrohungen ist. Im April 2013 wurde ein Umschlag mit einem Brief am Sitz der Gewerkschaft abgegeben, in dem sie zum militärischen Ziel und zur öffentlichen Feindin erklärt wurde. Außerdem ihr zwei Puppen mit den Namen ihrer Töchter zugeschickt - eine ohne Arm, die andere ohne Bein, Gesicht und Körper mit Blut beschmiert.