Foto: Manfred Brinkmann
In dem von der EU-Kommission bereits paraphierten Freihandelsabkommen mit Kolumbien und Peru werden wirtschaftliche Freiheiten und Eigentumsrechte in allen Einzelheiten garantiert und Sanktionen für den Fall der Nichteinhaltung festgeschrieben, während Menschen- und Gewerkschaftsrechte sowie Umweltprobleme nur in allgemein gehaltenen wohlmeinenden Erklärungen Berücksichtigung finden – von Sanktionen ist da nicht die Rede. Und das im Fall von Kolumbien, dem gefährlichsten Land der Welt für kritische Journalisten und für Gewerkschafter. Dies ist der Kontext des Besuchs von Tarsicio Mora (Gewerkschaftsdachverband CUT), Miguel Morantes (Gewerkschaftsdachverband CTC) und Guillermo Correa (Gewerkschaftsschule und Forschungsinstitut ENS) vom 10. bis 15. Juni 2012 in Bremen, Hamburg, Berlin und Hannover, der auf Einladung des DGB-Bildungswerks, der GEW, des Forschungs- und Dokumentationszentrums Lateinamerika (FDCL) und des Kolko e.V. – Menschenrechte für Kolumbien stattfand. Die Kampagne von Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen gegenüber dem Europäischen Parlament gegen die Ratifizierung des Abkommens sollte unterstützt und die Öffentlichkeit durch Veranstaltungen in Gewerkschaftshäusern und Universitäten in Bremen, Hamburg, Berlin und Hannover informiert und mobilisiert werden.
Dazu stellte Guillermo Correa sein Buch „Mit Büchern gegen Gewehrkugeln“ – „Tirándole libros a las balas“ vor. Am konkreten Beispiel verfolgter und ermordeter AktivistInnen der Lehrergewerkschaft ADIDA in der Region Antioquía um die zweitgrößte Stadt Kolumbiens Medellín wird verdeutlicht, was Gewalt gegen Gewerkschaften in Kolumbien bedeutet. Das Buch wendet sich gegen die Absicht der kolumbianischen Regierung, Bedrohung, Vertreibung, Folter und Mord als persönliches Schicksal, als Ergebnis privater Probleme erscheinen zu lassen und damit zu entpolitisieren, ihres antigewerkschaftlichen Charakters zu entkleiden. Es will den Toten ihre Identität als politische Opfer zurückgeben. Tarsicio Mora und Miguel Morantes verwiesen auf die Strategie der kolumbianischen Regierung, die Gewerkschaften strukturell zu zerschlagen, dabei weniger auf Mord zu setzen als auf Bedrohung und psychischen Druck sowie arbeitsrechtliche Veränderungen, die befristete und Leiharbeitsverhältnisse befördern. Sie warnten auch davor anzunehmen, die Liberalisierung der Märkte und die stärkere Präsenz internationaler Unternehmen werde die Situation von Gewerkschaften und ihrer Mitglieder automatisch verbessern: Von den 15 in Kolumbien tätigen deutschen Großunternehmen lassen nur zwei gewerkschaftliche Organisation überhaupt zu …
Der Besuch diente auch dem unmittelbaren Kontakt mit Bundestagsabgeordneten und Abgeordneten des Europäischen Parlaments. Hervorzuheben ist dabei das Gespräch mit Bernd Lange, MdEP für die SPD und Vorsitzender des INTA, des Ausschusses für internationalen Handel des Europäischen Parlaments. Er berichtete von einer Resolution zum Freihandelsabkommen mit Kolumbien, die vom Europäischen Parlament am 13. Juni 2012 beschlossen worden ist und die der Ausschuss vorbereitet hatte. Danach soll die Ratifizierung des Abkommens davon abhängig gemacht werden, dass die Regierungen von Kolumbien und Peru eine Handlungsstrategie („Road Map“) mit konkreten, überprüfbaren Schritten zur Sicherung der Menschen- und Gewerkschaftsrechte sowie der Umweltstandards vorlegt. Man erkennt daran, dass die Kampagne von Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen nicht ohne Wirkung auf das Europäische Parlament geblieben ist, auch wenn abzuwarten bleibt, ob eine solche Übereinkunft erzielt und umgesetzt werden kann. Es macht Mut, für Menschen- und Gewerkschaftsrechte weiter zu kämpfen.