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Medienkompetenz

„Können Sie das beweisen?“

Das Vertrauen in die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten ist in Teilen der Bevölkerung gesunken. An einer Berliner Schule haben am Tag der Pressefreiheit eine Journalistin und ein Journalist mit Schülerinnen und Schülern diskutiert.

ARD-Mitarbeiterin Marie von Mallinckrodt und der freie Journalist Kai Schächtele in der Rütli-Gemeinschaftsschule in Berlin-Neukölln. Foto: Rolf Schulten

Sitzen zwei Journalisten vor einer Klasse; der eine selbstständig, die andere fest im ARD-Hauptstadtstudio angestellt, das unter anderem die Tagesschau mit Nachrichten versorgt. Wem vertrauen Jugendliche mehr? Für Mehmet*, Schüler an der Rütli-Gemeinschaftsschule in Berlin-Neukölln, ist klar: „Als normaler Bürger würde ich eher dem unabhängigen Journalisten glauben.“ Bei der ARD gäbe es doch bestimmt „Grenzen“, wenn Berichte „bestimmte Politiker oder die Bundeskanzlerin“ betreffen.

Was sich für viele andere Menschen befremdlich anhören mag, ist bei dem Besuch der ARD-Mitarbeiterin Marie von Mallinckrodt und des freien Journalisten Kai Schächtele in zwei 12. Klassen eine Haltung, der niemand widerspricht. Stattdessen hakt die Schülerin Sibel noch einmal nach, als von Mallinckrodt erklärt, sie sei Journalistin geworden, um auch über „nicht so gut laufende Dinge“ zu berichten: „Sie haben ja viel erklärt“, kontert Sibel, „aber können Sie das beweisen?“

Schächtele und von Mallinckrodt sind anlässlich des „Tags der Pressefreiheit“ im Mai schon das zweite Mal zu Gast in der Rütli-Schule. „Toleranz gegenüber anderen Meinungen ist unter unseren Schülerinnen und Schülern nicht selbstverständlich“, sagt dazu die Politik-Lehrerin Theresa Richter, „auch die Frage, ob in den Medien alles gesagt werden darf, führt gelegentlich zu aufreibenden Diskussionen. Da ist es gut, wenn Journalistinnen und Journalisten einmal erzählen, wie sie arbeiten.“ Deswegen hat sie zusammen mit ihrem Kollegen Raphael Untiedt eine Politik-Doppelstunde an die zwei Alumni der Deutschen Journalistenschule (DJS) übergeben.

„Wichtig ist immer zu überlegen, kann das, was ich höre oder sehe, so sein?“ (Marie von Mallinckrodt)

Die beiden demonstrieren eindrücklich, dass auch unter Medienmenschen Meinungsvielfalt besteht: Die ARD-Redakteurin steht nicht allem, was in Rundfunkanstalten geschieht, kritiklos gegenüber, hält das allerdings für normal: „In einer Demokratie muss man Kompromisse machen. Das ist nicht immer einfach.“ Schächtele kritisiert noch einiges mehr, schwerfällige und nicht besonders wagemutige Entscheidungen der Intendanten etwa. Auch das habe aber weder mit gezielten Falschnachrichten noch mit Zensur zu tun: „Eure Lehrer haben auch Chefs.“

Im zweiten Teil geht es darum, welche Medien die Jugendlichen nutzen; zumeist Facebook, Instagram, YouTube, Netflix. Mehmet sagt, ihm sei die Länge wichtig: „Über den VW-Skandal würde ich nie so einen Riesentext lesen. Aber eine kurze Doku habe ich mir angeguckt.“ Und wie entscheiden sie, ob das, was sie sehen, stimmt? Schließlich hatte die Stunde mit einem Film über die weite Reise des Gerüchts einer Vergewaltigung begonnen, die es gar nicht gab. Mehmets Sitznachbar Wael sagt, er glaube „dem mit den besseren Argumenten, auch wenn er nicht mein Freund ist“.

Im Grunde, so von Mallinckrodt, sei das der Beginn von Quellenkritik. „Wichtig ist immer zu überlegen, kann das, was ich höre oder sehe, so sein?“ Auch Bilder und Videos könnten gut manipuliert werden. Schächtele empfiehlt den Jugendlichen ebenso kurz(weilig)e wie informative Formate wie jene des „Y-Kollektiv“, dessen YouTube-Kanal nahezu 400.000 Abonnenten zählt; und die Angebote des „Funk“-Netzwerks, eines ebenfalls auf YouTube zu findenden Jugendkanals von ARD und ZDF.

*Namen aller Schüler geändert