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Ganztag

Kitas fehlt immer mehr Personal

Das Recht auf einen Betreuungsplatz und der wachsende Bildungsanspruch an frühkindliche Erziehung stellen viele Kitas vor Personalprobleme. Der Ausbau der Ganztagsbetreuung in Grundschulen wird die Misere verschärfen.

Die Politik hat den Kita-Ausbau in Deutschland in den vergangenen Jahren nur unzureichend vorangetrieben. (Foto: IMAGO/Peter Widmann)

In der Integrativen Kita Curiestraße in Leipzig kennen sie das Problem, dass die Personaldecke schnell zu kurz wird: Mehr als 180 Kinder besuchen die Krippe und den Kindergarten. Diesen Sommer sind zwar alle Stellen im Team besetzt und 25 Kolleginnen und Kollegen an Bord. Aber als etwa im Frühjahr drei Stellen unbesetzt blieben oder als im Winter Corona im Haus unterwegs war, wurde es chaotisch. „Wir sind auf dem Zahnfleisch gekrochen“, erzählt Kita-Leiterin Petra Teschner. Die Boom-Stadt Leipzig wächst seit Jahren. Die Stadt und viele freie Träger haben reihenweise neue Einrichtungen aus dem Boden gestampft. Doch nun fehlt das Personal – wie vielerorts.

„Ein Pool für Neubesetzungen ist einfach nicht da.“ (Petra Teschner)

Die Kita Curiestraße ist ein schicker Neubau, sie wurde 2019 eröffnet. In ihrem Umfeld liegen viele Forschungseinrichtungen und die Uniklinik, deren Beschäftigte ihre Kinder aus der ganzen Stadt herbringen. „Viele Eltern gehen Vollzeit arbeiten und brauchen die volle Betreuungszeit mit bis zu neun Stunden“, erzählt Teschner. Und der Bedarf wächst, weil in immer mehr Familien beide Eltern arbeiten. Doch wenn es an Personal fehlt, muss die Kita vorübergehend die Öffnungszeiten gegen den Bedarf der Eltern kürzen. Auch Teschner, die gelernte Krippenerzieherin mit mehr als 30 Jahren Berufserfahrung, geht dann neben ihren Leitungsaufgaben mit in die Gruppen. „Wir haben ein Fachkräfteproblem“, sagt sie. „Wir brauchen gute Leute.“ Doch die Aussichten sind nicht rosig: „Ein Pool für Neubesetzungen“, so Teschner, „ist einfach nicht da.“

Die Leipziger Kita steht beispielhaft für eine Misere, die bundesweit immer häufiger zu beobachten ist: Seit dem Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz zunächst für Dreijährige und dann auch für Einjährige wachsen die Personalsorgen – denn vielen Einrichtungen fehlen die Leute. Verschärfend hinzu kommt, dass zunehmend beide Elternteile berufstätig sind und eine möglichst lange, gesicherte Betreuung für ihre Kinder auch tatsächlich benötigen. Viele Kitas wollen ihre Betreuungszeiten und Plätze ausweiten, was wiederum mehr Personal und Platz erfordert. Und wenn ab 2026 der Rechtsanspruch auf eine ganztägige Betreuung an Grundschulen hinzukommt, könnte sich die Lage weiter verschärfen.

Dauerhafte Ausbildungsoffensive gefordert

„Bundesweit fehlen allein den Kitas bis zum Ende des Jahrzehnts 200.000 Fachkräfte“, sagt Doreen Siebernik, GEW-Vorstandsmitglied für Jugendhilfe und Sozialarbeit. Vielerorts mangele es an einer kindgerechten Personalausstattung, an ausreichend Kitas und besseren Betreuungsquoten – zulasten der Erzieherinnen und Erzieher, die in den Einrichtungen arbeiten, und der Eltern. In Berlin etwa seien aktuell 3.500 Betreuungsplätze in Kitas unbesetzt, weil es zu wenige Fachkräfte gebe, erzählt die GEW--Kita-Expertin. Die Hauptstadt ist dabei nur ein Beispiel von vielen: Der Kita-Bericht 2022 des Paritätischen Gesamtverbandes offenbarte im Juni, dass durch den Fachkräftemangel bundesweit jede zweite Kita ihre Kapazitäten nicht voll nutzen kann.

„Wir brauchen dringend eine dauerhafte Ausbildungsoffensive“, fordert Siebernik. Daneben müsse die Politik Arbeitsverhältnisse und Bedingungen schaffen, die ein auskömmliches Einkommen ermöglichen und die oft prekären Jobs attraktiver machen. Die Kolleginnen und Kollegen in Kitas arbeiteten oft nur in Teilzeit von rund 30 Stunden. Alleinerziehende könnten damit ohne staatliche Unterstützung keine Familie versorgen. Viele ausgebildete Fachkräfte würden nach vier bis sechs Jahren ihren Job wieder aufgeben, weil die Belastungen zu hoch und die Gehälter zu niedrig seien. Parallel sei zudem eine Bauoffensive für Kitas nötig. „Die Einrichtungen stehen sonst in Zukunft vor großen Engpässen und räumlichen Verdichtungen“, so Siebernik.

Auch die GEW in Sachsen fordert seit Jahren, frühzeitig auf die Rechtsansprüche und Bedürfnisse der Eltern zu reagieren. Helfen könnte dabei, so die stellvertretende Landesvorsitzende Astrid Axmann, den Blick zu öffnen: Möglichkeiten für einen Quereinstieg erweitern, ausländische Berufsabschlüsse leichter anerkennen und Umschulungen oder berufsbegleitende Ausbildungen unterstützen.