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LesePeter Mai

Kinderbuch „Tornado im Kopf“ prämiert

Der LesePeter Mai geht an „Tornado im Kopf“ von Cat Patrick. Das Kinderbuch ermöglicht Einblicke in die Gefühls- und Gedankenwelt neurodiverser Menschen.

Kurzzeitig erweckt der Roman den Anschein einer Detektivgeschichte, was sich aber schnell als Irrtum herausstellt.

Manchmal ist es, als würde ein Tornado durch Frankies Kopf wirbeln und ihr die Kontrolle über sich selbst entreißen. Sie hat Strategien gelernt, wie sie dem begegnen kann. Aber seit Colette, ihre ehemals beste Freundin, verschwunden ist, gelingt ihr das zunehmend weniger. Das Buch „Tornado im Kopf“ ermöglicht Einblicke in die Gefühls- und Gedankenwelt neurodiverser Menschen. Die dramatische Handlung ist allerdings nichts für Zartbesaitete.

Der Tag der 13-jährigen Ich-Erzählerin beginnt zunächst recht unspektakulär und routiniert wie immer. Und obwohl Frances, die von allen stets Frankie genannt werden will, es furchtbar findet, wenn ihre Mutter sie morgens vor Schulbeginn weckt, so sind es eben diese immer gleich währenden Abläufe und Routinen, die Frances Halt geben in ihrem Leben, die sie darum so dringend benötigt.

Doch Frankies Tagesablauf gerät an diesem Tag bereits nach der ersten Schulstunde aus dem Takt, als alle Kinder der Schule in die Aula gerufen werden und ihnen die Direktorin mit einer Hiobsbotschaft aufwartet. Colette, Frankies ehemals beste und einzige Freundin, wird vermisst. Es folgen Vernehmungen bei der Polizei, bei denen es Frankie nicht entgeht, dass ihre Mutter zuvor den Polizeibeamten vorwarnt und auf Frankies impulsive, überempfindliche und „andere“ Art hinweist. Wie wütend sie das macht! Sie wäre so gerne normal!

Frankie tickt anders, als die meisten Menschen. Sie nimmt Sinnesreize mitunter übersteigert wahr und kann sie dann nur schwer ertragen. Wenn es ihr zu viel wird, rastet sie schnell aus. Für ihr Umfeld ist das nicht immer nachvollziehbar. Außerdem kann sie die nonverbalen Signale ihrer Mitmenschen nur schwer deuten, so dass sie eine ganze Therapiestunde damit verbracht hat, mit ihrem Therapeuten das SMSSchreiben zu üben.

Doch neben den negativen Aspekten, die Frankies Besonderheiten mit sich bringen, haben diese auch ihr Gutes. Beharrlich, allen Widerständen zum Trotz und regelrecht verbissen widmet Frankie sich dem Rätsel um Colettas Verschwinden. Letztlich ist es Frankies Besonderheit zu verdanken, dass Colette gefunden wird. Dabei spielen verrückte Mutproben aus Grundschultagen, neu aufgetauchte Handyvideos und die beängstigende Meerhexe eine entscheidende Rolle.

Kurzzeitig erweckt der Roman den Anschein einer Detektivgeschichte, was sich aber schnell als Irrtum herausstellt. Neben der dramatischen Handlung, die sich nicht vollends zum Guten auflöst, steht Frankies Erleben im Fokus. Die Autorin Cat Patrick hat mit psychologischem Feingespür eine sympathische und authentisch wirkende Protagonistin erschaffen, die mit ihren widerstrebenden Gefühlen immer wieder in größte emotionaler Not gerät. Dieser fühlen sich die Lesenden verbunden und fiebern mit ihr mit.

Cat Patrick vermag es mit dem Buch, Verständnis für Menschen zu wecken, die mit Diagnosen wie Autismus, Asperger-Syndrom oder nach diesem Buch mit der Bezeichnung neurodivers eingeordnet werden. Verbunden damit ist der Appell, nicht nur die negativen, sondern ebenso die positiven Seiten des nicht normgerechten Verhaltens anzuerkennen und wertzuschätzen.

Die Autorin

Cat Patrick lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Seattle, verbringt aber so viel freie Zeit wie möglich vier Stunden westlich von ihrer Heimat in der besonderen Stadt Long Beach, um Marshmallows zu grillen und Papierdrachen zu entwirren. Dort ist „Tornado im Kopf“, Cat Patricks erstes Kinderbuch, entstanden.

Die AJuM vergibt den LesePeter monatlich abwechselnd in den Sparten Kinderbuch, Jugendbuch, Sachbuch und Bilderbuch.

Cat Patrick (Autorin) & Petra Knese (Übersetzung), Tornado im Kopf, aus dem Englischen, Weinheim: Beltz & Gelberg, ISBN: 978-3-407-75849-1, 271 Seiten, gebundene Ausgabe 15 Euro, Altersempfehlung: ab 12 Jahren