Kinderarbeit steigt weltweit wieder an
Keine Zeit zu verlieren
Bei einer gemeinsamen Veranstaltung von GEW und Brot für die Welt diskutierten Vertreterinnen und Vertreter der ILO und von Bildungsgewerkschaften über Maßnahmen im Kampf gegen Kinderarbeit.
Der jüngste Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) liefert alarmierende Zahlen: Seit dem Jahr 2016 nimmt die Kinderarbeit deutlich zu. In den letzten vier Jahren kamen acht bis neun Millionen Kinderarbeiter hinzu, sodass die Zahl gegenwärtig wieder auf 160 Millionen geschätzt wird. Die COVID-19-Krise droht zudem, alle Fortschritte im Kampf gegen Kinderarbeit weiter zu untergraben, wenn nicht dringend Maßnahmen zur Eindämmung ergriffen werden. Da die Armut durch die Pandemie zunimmt, ist davon auszugehen, dass bis Ende 2022 weitere 8,9 Millionen Kinder von Kinderarbeit betroffen sein werden, wenn die soziale Absicherung weiter nachlässt.
„Wenn wir nicht den Willen und die Ressourcen aufbringen, jetzt in einem noch nie dagewesenen Ausmaß zu handeln, wird sich der Zeitplan für die Beendigung der Kinderarbeit noch viele Jahre in die Zukunft erstrecken.“ (ILO-Bericht)
Die Berechnungen und Schätzungen für 2020 beruhen auf der Hochrechnung von Daten aus über 100 nationalen Haushaltserhebungen, die zwei Drittel der Weltbevölkerung von Kindern im Alter von 5 bis 17 Jahren abdecken. Sie sind ein wichtiger Realitätscheck für die Einhaltung der internationalen Verpflichtung, Kinderarbeit bis 2025 zu eliminieren. |
Drei Anlässe für eine internationale Veranstaltung
Die Veröffentlichung des neuen ILO/UNICEF-Berichts 2016 bis 2020, der Welttag gegen Kinderarbeit und das von den Vereinten Nationen ausgerufene Internationale Jahr zur Beseitigung von Kinderarbeit waren drei gute Gründe für die GEW und Brot für die Welt, zu einem international besetzten Online-Seminar am 12. Juni einzuladen.
Darin ging es um:
- die Rolle der Teilnehmenden und ihrer Organisationen im Kampf gegen Kinderarbeit,
- die erfolgreichen Ansätze gegen Kinderarbeit auf allen Ebenen
- die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und
- schließlich um die gemeinsamen Anstrengungen zum Erreichen des Nachhaltigkeitsziels 8.7, Kinderarbeit bis 2025 in allen Formen zu beseitigen.
Ziel erreichen durch konkrete Taten
Samuel Grumiau (Bildungsinternationale, BI) und Pilirani Kamaliza (Programmkoordinator der Teachers Union of Malawi) berichteten über den Projektansatz der „Child Labour Free Zones“ (kinderarbeitsfreie Zonen). Grumiau koordiniert für die BI Projekte gegen Kinderarbeit in 13 Ländern unter anderem in Malawi, Mali, Uganda, Zimbabwe und Burkina Faso, die auch von der GEW-Stiftung fair childhood unterstützt werden. In den Projekten bieten die Bildungsgewerkschaften Fortbildung für ihre Mitglieder an, die dann Überzeugungsarbeit in den Schul- und Dorfgemeinschaften leisten und ihre Lehrtätigkeit qualitativ verbessern.
„Wir gehen auch gegen einzelne Fehlverhalten von Lehrkräften vor und helfen bei der besseren Ausstattung der Klassen. Damit machen wir unsere Schulen attraktiver. Nach der Pandemie ist auch bei uns der Sozialdialog nötig. Regierung und Arbeitgeber müssen für menschwürdige Arbeit und existenzsichernde Löhne für Erwachsene sorgen“, berichtet Pilirani Kamaliza von seinen Erfahrungen.
„Gewinnmaximierung höher gehandelt als Kinderrechte“
Mit der Aktivistin der Kampagne 100 Millionen, Melanie Heyne, kam die Brot für die Welt Jugend zu Wort: „Unsere Aufgabe ist hier vor Ort, gegen die Resignation vorzugehen und Lobbyarbeit bei der Politik zu machen mit ganz klaren Forderungen.“ Mit der Umsetzung in Deutschland zeigte sie sich nicht zufrieden: Kinderrechte haben es erneut nicht ins Grundgesetz geschafft, Produkte, in denen Kinderarbeit steckt, wurden nicht verboten. „Wir müssen Politik und Wirtschaft hinterfragen, wieso Gewinnmaximierung immer noch höher gehandelt wird als Menschen- und Kinderrechte.“
Die Regierungen in die Pflicht nehmen
Beate Andrees, UN-Sonderbeauftragte und Direktorin des ILO-Büros in New York, betont, dass die Vernetzung aller wichtigen Akteure im Kampf gegen Kinderarbeit bedeutend ist. Sie benennt das Problem, dass die Stimmen von vor Ort - aus Gewerkschaften und von Jugendlichen - in der Politik und der UNO noch zu wenig gehört würden. Auch sei es nötig, zu einer globalen Finanzarchitektur zu kommen und die Regierungen in die Pflicht zu nehmen. Die Finanzierung guter Bildung und sozialer Sicherungssysteme durch die Regierungen sei ebenso wichtig wie international abgestimmte Gesetze, durch die Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen sind.