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Kitas in Coronazeiten

„Kinder brauchen Kinder“

Kitas und Schulen sollen weitestgehend geschlossen werden – so hatten Bund und Länder es am 13. Dezember vereinbart. Was das heißt und wie es in Kitas wirklich aussieht, erzählen drei Beschäftitgte. Hier berichtet Kathrin aus Mainz.

Foto: Christoph Boeckheler
Kathrin Gröning ist Erzieherin an einer Kita in Mainz (Foto: Christoph Boeckheler).

Am 13. Dezember 2020 vereinbarten die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder und die Bundeskanzlerin alle Schulen und Kindertageseinrichtungen zu schließen. Ein drastischer Schritt, der angesichts der Entwicklung der Infektionszahlen mit dem SARS-CoV-2-Virus unausweichlich war. Kinder sollten wann immer möglich zu Hause betreut werden. Doch wirklich geschlossen waren die Einrichtungen nie – sie stellten auf Notbetreuung um. Anders als im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 fehlten allerdings klare Kriterien dafür, wer sein Kind in die Kita bringen darf und wer nicht. In vielen Bundesländern konnten auch private Gründe geltend gemacht werden.

Für Erzieherinnen und Erzieher in Kitas und Schulhorten bedeutete dies Mehrarbeit und eine höhere Gesundheitsgefährdung. Welche Erfahrungen Erzieherinnen und Erzieher mit dem zweiten Lockdown gemacht haben, zeigen nachfolgend die Berichte von drei Beschäftigten – einer Kita-Leiterin aus Stuttgart, einer Erzieherin aus Mainz und eines Schulhort-Erziehers aus Dresden. Hier berichtet Kathrin aus Mainz.

Foto: Christoph Boeckheler
Kathrin Gröning ist Erzieherin an einer Kita in Mainz (Foto: Christoph Boeckheler).

Beim Mittagessen merkt Erzieherin Kathrin Gröning aus Mainz besonders stark, wie sich der Kitalltag durch Corona verändert hat: Wo es sonst so lebhaft zugeht, viele Kinder lautstark miteinander diskutieren oder auch einfach nur zuhören, sitzen jetzt vier Mädchen und Jungen am Tisch. „Es ist sehr viel stiller“, sagt die Erzieherin. „Und es gibt weniger Impulse durch das Miteinander.“ Offiziell lautet die Ansage in Rheinland-Pfalz, dass die Kitas einen „Regelbetrieb bei dringendem Bedarf“ anbieten. „Ich erlebe in unserer Kita, dass die Eltern sehr verantwortungsvoll damit umgehen“, berichtet Gröning. Aktuell werden in ihrer Einrichtung etwa 40 Prozent der Kinder betreut – und die meisten davon nicht an allen fünf Tagen.

Für die Kitas verlangt die GEW, die individuellen Gefährdungsbeurteilungen nach Arbeitsschutzgesetz umzusetzen. Jede Kita braucht passgenaue und wirksame Hygienepläne. „Die Regelungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) für Kitas zum Infektionsschutz sind zu beachten und umzusetzen. Weiter müssten alle Kitaträger Betriebsmediziner einsetzen, diese sollten die Risikogruppen bei den Beschäftigten beraten und im Einzelfall von der Arbeit in der Kita freistellen“, sagte GEW-Chefin Marlis Tepe. Sie regte zudem an, freiwillige, kostenfreie Coronatests sowie eine Grippeschutzimpfung für die Beschäftigten anzubieten.

  • Freiwillige, kostenfreie Coronatests sowie eine Grippeschutzimpfung für die Beschäftigten
  • Passgenaue und wirksame Hygienepläne für jede Kita
  • Umsetzung der Empfehlungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) an Kitas
  • Risikogruppen von Betriebsmedizinern beraten lassen und im Einzelfall von der Arbeit an der Kita freistellen

Übersicht: Alles, was sich an Bildungseinrichtungen mit Blick auf den Gesundheitsschutz in Corona-Zeiten ändern muss.

„Das sorgt für Besorgnis und Verunsicherung.“ (Kathrin Gröning)

Zugleich ist das gesamte Personal im Einsatz. Durften im Frühjahr vergangenen Jahres während des ersten Lockdowns die Kolleginnen und Kollegen mit Vorerkrankung von zu Hause aus arbeiten, müssten jetzt alle in die Kita kommen, sagt die Erzieherin. „Das sorgt für Besorgnis und Verunsicherung.“ Um das Infektionsrisiko etwas zu mindern, hat das Team das Haus in drei Bereiche getrennt und die Kinder in feste Gruppen eingeteilt. Je etwa zwölf Mädchen und Jungen können sich in zwei Räumen, einem Spielbereich sowie Flur und Bad einigermaßen frei bewegen. Dafür stehen jeweils drei Erzieherinnen und Erzieher zur Verfügung. „Wir haben jetzt einen sehr guten Personalschlüssel“, so Gröning. „Aber das hilft nur bedingt, wenn die Kinder fehlen.“

„Kinder brauchen Kinder, das ist nicht nur eine Floskel.“ (Kathrin Gröning)

Klar, haben die Fachkräfte viel Zeit für jedes einzelne Kind. „Aber Kinder brauchen Kinder“, betont die Gewerkschafterin, „das ist nicht nur eine Floskel.“ Zum sozialen Lernen gehöre vor allem das Miteinander, Kinder müssten sich ihre Lebenswirklichkeit aktiv erschließen. „Da fehlt gerade ganz viel.“ Als Erzieherin könne sie ihrem persönlichen Anspruch an die Arbeit so nicht gerecht werden. Gröning sorgt sich vor allem um jene 60 Prozent der Kinder, die so lange zu Hause bleiben. Sie seien im Frühling des Vorjahrs bereits wochenlang nicht in die Kita gegangen, jetzt im Winter wieder. „Zusammengerechnet ergibt das ein halbes Jahr, für ein vierjähriges Kind eine enorm lange Zeit.“