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Reihe „Täterprofile“

Kein „Recht auf Vergessen“ für NS-Funktionär

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg entschied, dass Zitate aus Briefen des ehemaligen NS-Schulsenators Oscar Toepffer in einem Band der Reihe „Täterprofile“ veröffentlicht werden können.

Darf ein Historiker aus den Briefen eines NS-Funktionärs zitieren, auch wenn nicht alle Nachfahren damit einverstanden sind? Rund sechs Jahre stritten der Autor Hans-Peter de Lorent, die Schulbehörde sowie die Landeszentrale für politische Bildung der Hansestadt Hamburg über diese Frage mit Christel Sachs, einer Enkelin des NSDAP-Mitglieds Toepffer. Am Ende entschied das Hamburger OLG: Ja, die Originalquellen und Zitate dürfen weiterhin verwendet werden. Ein „Recht auf Vergessen“, das sich die Klägerin für ihren Großvater gewünscht hatte, gilt nicht für Toepffer, der während der NS-Herrschaft als Schulsenator am Unrechtsstaat mitwirkte.

„In einer Zeit, in der die Aufarbeitung des Nationalsozialismus von aktueller politischer Bedeutung ist, bin ich über diese Entscheidung erleichtert“, sagte de Lorent nach dem Urteil. Der ehemalige Vorsitzende der GEW Hamburg und langjährige Redakteur der „Hamburger Lehrerzeitung“ beschäftigt sich seit den 1970er-Jahren mit dem Thema „Schule unterm Hakenkreuz“. Unter anderem sammelte er Material über damals Verantwortliche in Behörden und Schulen. Daraus entstanden die Sammelbände „Täterprofile“, die die Landeszentrale für politische Bildung herausgibt.

„Am Ende haben wir uns zum Vorteil zukünftiger Generationen durchgesetzt.“ (Ksenija Bekeris)

Einen Hinweis auf Toepffer erhielt de Lorent von einem Enkel des NS-Funktionärs. Eine Tochter Toepffers übergab ihm schließlich Material, darunter Briefe. 2018 klagte eine Enkelin Toepffers, die Hamburger Rechtsanwältin Christel Sachs, gegen die Veröffentlichung des 2016 erschienenen Bandes. Sie verwies unter anderem auf urheberrechtliche Feinheiten: So seien die Briefe von einem weiteren Familienmitglied überarbeitet worden. In erster Instanz verlangte ein Gericht, dass Zitate nicht mehr wörtlich verwendet werden dürften. Der Hamburger Senat ging in Revision.

„Das Verfahren hatte grundsätzliche Bedeutung. Quellen, auch aus dem familiären Bereich, müssen nutzbar sein für ein möglichst authentisches Bild der Täter“, sagte Bildungssenatorin Ksenija Bekeris (SPD). Nach dem Erfolg vor dem OLG zeigte sie sich erleichtert: „Am Ende haben wir uns zum Vorteil zukünftiger Generationen durchgesetzt.“

Der Autor der „Täterprofile“ schreibt unterdessen weiter: Im April erscheint im Goya-Verlag, Hamburg, sein auf Tatsachen basierender Roman „Goebbels‘ Schatten“. Im Mittelpunkt steht Werner Naumann, ein Mitarbeiter des NS-Propagandaministers Joseph Goebbels, der nach dem Krieg untertauchte und in den 1950er-Jahren im Zentrum einer Verschwörung zur Rehabilitierung des Nationalsozialismus stand.