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International Computer and Information Literacy Study

Kaum gewappnet gegen Fake News

Um die Digital- und Medienkompetenz der Achtklässlerinnen und Achtklässler ist es in Deutschland nicht gut bestellt. Das geht aus der aktuellen Vergleichsuntersuchung ICILS hervor. Auch in Dänemark haben sich die Ergebnisse deutlich verschlechtert.

Gut 40 Prozent der Achtklässlerinnen und -klässler in Deutschland fällt es schwer, die Glaubwürdigkeit von Internetseiten einzuschätzen und die Kommunikationsziele des Absenders zu verstehen. Angesichts wachsender Falschinformationen im Internet und des politischen Rechtsrucks ist dies ein bedenklicher Befund. (Foto: mauritius images/KEPORT)

Seine Keynote zur Digitalpakt-Statuskonferenz im November 2024 musste Jakob Chammon, ehemals Schulleiter in Dänemark und heute Geschäftsführer der Deutschen Telekom-Stiftung, kurzfristig ändern. Der Grund: Gerade war die ICIL-Studie 2023 erschienen. Die Vergleichsuntersuchung erfragt die computer- und informationsbezogenen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler der 8. Klasse. Die Ergebnisse für Deutschland zeigen eine deutliche Verschlechterung der Medienkompetenz der Jugendlichen – noch mehr verschlechtert haben sich die Kompetenzen nur in den USA und in Dänemark. Der Hinweis auf das Modellland Dänemark erforderte deshalb einige neue Fußnoten.

Der Anteil der Schülerinnen und Schüler in dem skandinavischen Land, die nur über basale und rudimentäre Kompetenzen verfügen (Kompetenzbereich 1), ist seit 2018 um 10 Prozentpunkte auf fast 25 Prozent gestiegen. 45 Prozent der Jugendlichen sind auf dem Kompetenzniveau 2, können also Computer benutzen und Informationen beschaffen. Allerdings können sie sich auf den Kompetenzstufen 2, 1 oder darunter noch nicht kritisch-reflexiv mit digitalen Medien und dem Internet auseinandersetzen. Die Schülerinnen und Schüler haben Schwierigkeiten, die Glaubwürdigkeit von Internetseiten einzuschätzen und die Kommunikationsziele des Absenders zu verstehen. 

Dies betrifft laut ICILS 2023 mehr als drei Viertel der Achtklässlerinnen und Achtklässler in Dänemark. Nur 1 Prozent verfügt über das höchste Kompetenzniveau 4 und kann demzufolge relevante Informationen auswählen und diese auf ihre Glaubwürdigkeit hin einschätzen.

Kompetenzen schlechter trotz besserer Ausstattung

Obwohl sich die Ergebnisse in Deutschland auf dem unteren mittleren Kompetenzniveau bewegen, liegen sie über dem internationalen Mittelwert. Sie haben sich jedoch seit der ICIL-Studie 2018 verschlechtert. Gut 40 Prozent der Achtklässlerinnen und Achtklässler erreichen lediglich rudimentäre und basale Kompetenzen (2018: 33 Prozent); international sind es 50 Prozent, in der Europäischen Union (EU) liegt der Wert bei 44 Prozent. Und das, obwohl Lehrkräfte hierzulande seit der Vorgänger-Studie deutlich häufiger täglich digitale Medien im Unterricht nutzen (69,9 Prozent) und damit signifikant mehr als im internationalen Durchschnitt (61,2 Prozent).

„ICILS 2023 belegt, dass eine gute Ausstattung und ein bloßes Mehr an Digitalisierung nicht ausreichen.“ (Ralf Becker)

Gerade angesichts wachsender Falschinformationen im Internet und mit Blick auf kommende Wahlen ist dies bedenklich. „ICILS 2023 belegt, dass eine gute Ausstattung und ein bloßes Mehr an Digitalisierung nicht ausreichen. Um pädagogische Nachhaltigkeit zu erreichen, brauchen wir mehr Medienkompetenz für einen kritisch-reflektierten Umgang – und zwar für Lehrende und Lernende“, stellte Ralf Becker, GEW-Vorstandsmitglied Berufliche Bildung und Weiterbildung, fest.

Soziale Ungleichheit im deutschen Bildungssystem

ICILS 2023 spiegelt die soziale Ungleichheit im deutschen Bildungssystem wider. Nur 1,1 Prozent der Achtklässlerinnen und Achtklässler erreichen die höchste Kompetenzstufe 4. Schülerinnen und Schüler an Gymnasien kommen auf ein signifikant höheres Kompetenzniveau als Gleichaltrige an anderen Schulformen. Die Autorinnen und Autoren der Studie schlussfolgern, dass das Kompetenzniveau eng an soziale und herkunftsspezifische Faktoren geknüpft ist. 

„Medienkompetenz darf nicht an die soziale Lage gebunden sein. Alle Kinder und Jugendlichen haben ein Recht darauf, Medienkompetenz zu erlernen, um auf Augenhöhe an der digitalen Welt teilnehmen zu können. Dies ist auch eine Frage demokratischer Partizipation. Hier brauchen wir eine gemeinsame Anstrengung für mehr Medienkompetenz“, kommentierte Anja Bensinger-Stolze, GEW-Vorstandsmitglied Schule, diesen Befund.

„Nach dem Aufschrei Ende 2024 müssen 2025 Taten folgen.“ (Anja Bensinger-Stolze)

Auch die Teilnehmenden der Digitalpakt-Statuskonferenz – unter ihnen der amtierende Bundesbildungsminister Cem Özdemir (Grüne) und die saarländische Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD), bis Ende 2024 Präsidentin der Kultusministerkonferenz – wurden nicht müde zu betonen, dass es neben der wichtigen Ausstattungsfrage nun auch darum gehen müsse, mehr Medienkompetenz zu vermitteln. Diese Forderung erhebt die GEW schon seit über 20 Jahren. „Wir freuen uns, dass sich der Diskurs zugunsten unserer Forderungen verschiebt. Manchmal braucht es eben einen Impuls aus der Wissenschaft – in diesem Fall einen ,ICILS-Schock‘“, so Bensinger-Stolze, „nach dem Aufschrei Ende 2024 müssen 2025 Taten folgen.“