Rechtextremismus und Rassismus bekämpfen
„Es fehlt eine nachhaltige Gesamtstrategie“
Der Kabinettsausschuss der Bundesregierung zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus hat ein Paket mit 89 Maßnahmen vorgelegt, darunter viele Projekte mit Bildungs- und Forschungsbezug. Die GEW begrüßt dies, fordert aber mehr Nachhaltigkeit.
Der nach den rechtsterroristischen Morden in Hanau eingerichtete Kabinettsausschuss hat endlich Vorschläge geliefert. Mit 89 Einzelnahmen will die Bundesregierung gemäß den zuvor formulierten Zielen ein stärkeres Bewusstsein für Rassismus schaffen, Präventionsarbeit und den Schutz von Betroffenen stärken sowie die Chancengleichheit von Menschen mit Einwanderungsgeschichte fördern. Sie möchte Ursachen von Rechtsextremismus und Rassismus besser verstehen lernen, als starker Staat Antworten geben und die demokratische Zivilgesellschaft stärken, heißt es in einer Erklärung zu dem Maßnahmenkatalog.
Dafür sollen im Zeitraum 2021 bis 2024 mehr als eine Milliarde Euro zur Verfügung gestellt werden. Die Mittel sollen unter anderem in Forschung, Projekte zur politischen Bildung sowie Beratungs- und Unterstützungsstrukturen für von rassistischer und rechter Gewalt Betroffene fließen. Zudem soll die Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden, Justiz, staatlichen und zivilgesellschaftlichen Trägern gestärkt werden. Die Projekte erstrecken sich über sieben verschiedene Ministerien und sind zum Teil bei Beauftragten der Bundesregierung angesiedelt.
GEW fordert konkrete Ziele
„Wir begrüßen viele gute Projektansätze – alte wie neue – in den verschiedenen Ressorts und erkennen auch, dass einige Anliegen aus der Zivilgesellschaft, etwa von migrantischen Organisationen, vom DGB und aus der Wissenschaft berücksichtigt wurden“, kommentierte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe den Katalog. Eine nachhaltige Gesamtstrategie, wie sie der DGB und andere zivilgesellschaftliche Organisationen forderten, sei dies jedoch nicht. Es fehlten an vielen Stellen konkrete Zielsetzungen wie sie zum Beispiel die Antirassismus Agenda 2025 der Bundeskonferenz der Migrantenorganisationen (BKMO) vorsehe.
Positiv bewertete Tepe, dass fast alle Bildungsbereiche und die internationale Perspektive mitgedacht wurden. Ebenso begrüßte sie, dass Aktivitäten gegen Rechtsextremismus und Rassismus auch für die Arbeitswelt vorgesehen seien und bestehende Strukturen – einschließlich dem öffentlichen Dienst – diversitätsbewusst weiterentwickelt werden sollen. Dazu sei es unerlässlich, Ausgrenzungs- und Rassismuserfahrungen im Alltag wahrzunehmen, institutionelle Diskriminierungen als Problem anzuerkennen und sich mit strukturellem Rassismus sowie verschiedenen Ideologien der Ungleichwertigkeit umfassend auseinanderzusetzen.
„Es ist wichtig, das zivilgesellschaftliche Engagement für Demokratie und Vielfalt, für menschenrechtsorientierte politische Bildung und antirassistische Arbeit langfristig zu stärken.“ (Marlis Tepe)
Angesichts der Umtriebe rechtsradikaler Kräfte und vermehrter Angriffe auf die Demokratie, ihre Werte und Institutionen bedürfe es einer vernetzten Gesamtstrategie, um Erfahrungen auszutauschen und an einem Strang zu ziehen. Die GEW erwarte daher baldige Konkretisierungen der Maßnahmen, vor allem die angekündigten Eckpunkte für das nun sogenannte ‚Gesetz zur Förderung der wehrhaften Demokratie‘. „Es ist wichtig, das zivilgesellschaftliche Engagement für Demokratie und Vielfalt, für menschenrechtsorientierte politische Bildung und antirassistische Arbeit langfristig zu stärken“, machte Tepe deutlich. Demokratische Werte und Normen zu vermitteln und zu festigen, sei eine zentrale und dauerhafte Aufgabe.
Verlässliche Strukturen für eine wehrhafte Demokratie
Mithin müssten rechtliche und finanzielle Unsicherheiten im Kampf gegen Rechts abgebaut und verlässliche Strukturen für Präventionsarbeit sowie nachhaltiges und wirksames demokratisches Engagement geschaffen werden, betonte die GEW-Chefin. Die vage Ankündigung, die Rahmenbedingungen zu verbessern, sei nicht hinreichend, um Demokratie angesichts der aktuellen Herausforderungen wehrhaft zu machen. Bildungseinrichtungen, zivilgesellschaftliche Träger, migrantische (Selbst-)Organisationen, Anlaufstellen für die Betroffenen rassistischer oder antisemitischer Gewalt sowie antifaschistische Initiativen sollten unbedingt auch in der Auseinandersetzung mit dem parlamentarischen Arm des Rechtsextremismus und antifeministischen Tendenzen unterstützt werden.
Insgesamt seien mehr gemeinsame Anstrengungen sowie dauerhafte und ausreichende Investitionen in den verschiedenen Handlungsfeldern notwendig, um die Probleme in ihrer ganzen Breite zu bearbeiten.