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Jung, politisch – und in der GEW

Die jungen GewerkschafterInnen wollen "frische Ideen" in die GEW bringen. Doch was heißt das konkret – und wie geht das? Schließlich prallen auch unterschiedliche Vorstellungen von Arbeitswelt und Lebensqualität der Generationen aufeinander.

Über 100 junge Gewerkschafterinnen und Gewerkschafterinnen haben über Pfingsten klar gemacht, wofür sie sich engagieren wollen. (Foto: Stefan Brasse)

„Der Klassenkampf ist für die Jugend von gestern“, hat die Tageszeitung „Die Welt“ noch vor zwei Jahren getitelt. Im Gegensatz zu dieser steilen These steigen die Mitgliederzahlen der GEW jedoch – und es sind gerade junge Kolleginnen und Kollegen, die in die Organisation eintreten. Wofür sie sich einsetzen wollen, das machten mehr als 100 junge Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter über Pfingsten unter dem Motto „Unsere Zeit – unsere Fragen“ auf der Jugendkonferenz „GEWolution“ in Rotenburg an der Fulda deutlich.

„Für junge Aktive in einer alten Organisation ist es wichtig, frische Ideen einzubringen“, betont Sven Lehmann von den GEW-Studis in seinem Abschlussplädoyer. Was aber sind die „frischen Ideen“ der Jungen und – viel wichtiger – wie können sie umgesetzt werden? Bereits vor vier Jahren hatten die beiden Jugendorganisationen Junge GEW und GEW-Studis Mitglieder zwischen 18 und 35 Jahren zum Dialog eingeladen, damit sie in der Organisation Themen besetzen.

Die Integration Geflüchteter wäre beispielsweise so ein Thema. „Ich biete nichts, ich suche nur“, steht auf dem braunen, mit kleinen roten Stecknadeln angehefteten Flipchartpapier eines Workshops zum Thema „Bildung in der Migrationsgesellschaft“. Die jungen Aktiven suchten hier vor allem Tipps und Expertise für die Praxis – von Rechtsberatung über Unterrichtsmaterialien bis hin zu Partnerinnen und -partnern für Sprachtandems. „Es gibt haufenweise Unterrichtsmaterial, das müssten wir mal sichten und bewerten“, findet eine der jungen Lehrerinnen in der Runde. Für viele ist es der erste Kontakt zur Gewerkschaft. Sie wollen herausfinden, wie sie ihre Ideen in die GEW einbringen können. Am Ende steht die Verabredung, in Zukunft Best-Practice-Beispiele ihres Arbeitsbereiches auszutauschen und diese Ideen in die Gewerkschaft einzubringen.

Suche nach Gemeinschaft

Alberto, Erzieher aus Sachsen, sucht in der Gewerkschaft eine Gemeinschaft. Er will sich „regelmäßig mit Erzieherinnen und Erziehern vernetzen“. Bereits während der GEW-Jugendkonferenz vor vier Jahren hatte er probiert, ein Netzwerk zu gründen. Das sei aber nicht so gut gelaufen. „Wir wollten zu viel auf einmal“, erklärt er. Ein Ort, sich fachlich auszutauschen, könne die GEW aber sein, findet Mira, Erzieherin an einer Ganztagsschule.

Wie Mira haben viele junge Kolleginnen und Kollegen im vergangenen Jahr für die Aufwertung des Sozial- und Erziehungsdienstes (SuE) gekämpft und sind in die GEW eingetreten. Sie wolle aber nicht nur gewerkschaftlich vertreten werden, sondern auch über Inhalte und Rahmenbedingungen ihrer Arbeit reden, z.B. über die Qualität in der Kindertagesbetreuung, fügt Mira hinzu. Die Erzieherin will sich mit Mitstreiterinnen und Mitstreitern für das Recht des Kindes auf hochwertige Bildung, Erziehung und Betreuung einsetzen. Dazu aber brauche es Raum, um über die Qualität der eigenen Arbeit diskutieren zu können. Einen Raum, den sich Mira von der GEW wünscht.

Anderes Lebensmodell

Natürlich geht es in den Workshops auch um handfeste tarifpolitische Ziele. Lehramtsstudent Marcel kritisiert in dem Zusammenhang die aus seiner Sicht ungenauen Ziele der Gewerkschaften. Er sehe auf Plakaten häufig Forderungen wie „Für bessere Arbeitsbedingungen“. „Aber was heißt das eigentlich?“, fragt er. „Das muss konkreter werden.“ Nur so könne sich die Lebensqualität vieler Beschäftigter in Teilzeit wirklich verbessern. Dabei gehe es gar nicht um die Aufstockung in Vollzeit, sondern mehr darum, einen Rahmen zu schaffen, in dem neben Beruf und Familie auch Zeit bleibe, politische Ämter zu bekleiden – etwa in der GEW. Spätestens hier prallen unterschiedliche Lebenswirklichkeiten der Generationen aufeinander. Denn die jungen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter haben andere Vorstellungen von Arbeitswelt und Lebensqualität als ihre älteren Kolleginnen und Kollegen.

Die Vollzeitstelle, für die viele Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter so lange gestritten haben, strebt die Mehrheit der Jüngeren in der GEW offensichtlich nicht mehr an. Junge Lehrkräfte kritisieren etwa auch das enge Korsett der Verbeamtung. „Das passt einfach nicht mehr zu unserer Lebenswelt“, stellen sie fest. „Wir brauchen mehr Zeit, uns politisch zu engagieren“, ist auch Wiebke, Lehrerin aus Berlin, überzeugt. Sie alle wünschen sich, dass die GEW ihr Lebensmodell unterstützt: In Teilzeit arbeiten, Zeit für Familie haben und trotzdem die Politik der GEW mitbestimmen. Passt das zu einer Gewerkschaft, die in Gremien ihre Entscheidungen trifft?

Den Takt vorgeben

Wie schwierig Mitbestimmung sein kann, weiß auch Sarah Klug, Sprecherin der Jungen GEW. Auch wenn viele ältere Aktive die Beteiligung junger Kolleginnen und Kollegen einforderten, so Klug, setze sich in der Gremienarbeit eher das Gewohnte und Bekannte fort. Auf neue Ideen ließen sich viele langjährige Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter gar nicht oder nur widerwillig ein. „Und das obwohl die Innovationskraft ja da ist“, sagt Klug. Die Junge GEW Bayern etwa wurde erst vor einem Monat aus der Taufe gehoben. Für viele ihrer Mitglieder ist es nicht einfach, einen Termin für die Sitzungen mit den älteren Kolleginnen und Kollegen zu finden. „Mir wäre ein Samstag lieber, da kann ich die Kinderbetreuung viel leichter organisieren“, so die Berliner Lehrerin Caroline. Viele ältere Aktive seien aber nicht dazu bereit, die herkömmlichen Sitzungszeiten zu verändern.

Trotz allem, die Jungen wollen für ihr Lebensmodell kämpfen. Für Lisa Lewien, Mitglied im Bundesjugendausschuss des DGB, bedeutet das, die Zeiten für politische Partizipation – auch in der GEW – der Lebenswirklichkeit der Mitglieder anzupassen. „Wir müssen selber zu Taktgeberinnen und Taktgebern werden“, fordert sie. Doch was heißt das? Und wie lassen sich die unterschiedlichen Lebenswelten und Bedürfnisse der Generationen in der GEW miteinander vereinen? Was sich in Rotenburg gezeigt hat: Es fehlen gemeinsame Erfahrungsräume. Diese könnten sich z.B. durch mehr informelle Gespräche herstellen lassen, schlägt Tobias Cepok, Jugendbildungsreferent der GEW Hessen, vor.

Hartnäckigkeit und Geduld

„Muss die Jugend vielleicht konfrontativer werden“, fragt David Jugel, stellvertretender Landesvorsitzender der GEW Sachsen. Für die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe gibt es nur einen Weg – und der führt nicht über die Konfrontation, sondern über die Vertretung der Jugend in den GEW-Gremien. „Für mich war wichtig, dass in Arbeitsgruppen und Veranstaltungen mehr Mitglieder der Jugendorganisationen präsent sind. Das habe ich umgesetzt“, erklärt die GEW-Vorsitzende. Die eigentliche Arbeit aber sei vor Ort zu leisten. Das laufe nur leider nicht immer problemlos ab. „Viele Aktive wollen den Wechsel und verfallen dann doch wieder in alte Muster“, so Tepe. Die GEW-Landesverbände böten jedoch viele Fortbildungen an, um den Dialog zwischen Älteren und Jüngeren zu stärken. Dabei gehe es auch darum, gemeinsam Zeiten für die ehrenamtliche Arbeit festzulegen.

Die Unterstützung der GEW-Chefin haben die jungen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter gewiss: „Ich möchte, dass junge Kolleginnen und Kollegen in den Gremien vertreten sind“, betont sie. GEW-Spitze und ‑Jugendorganisationen wollen bei dem Generationen-Dialog am Ball bleiben. „Wir haben Wege aufgezeigt, unsere Fragen zu beantworten. Jetzt müssen wir diese Wege auch gehen“, fordert Lewien ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter auf. Dass sich Gewerkschaftsarbeit nicht von heute auf morgen verändert, weiß auch Tepe und resümiert: „Es braucht ein bisschen Hartnäckigkeit und Geduld.“

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