LesePeter Juni 2025
Jugendroman über das Leben, den Tod und die Liebe
Es sind Ferien, und Rios Freunde haben viel vor, schließlich soll es ein unvergesslicher Sommer werden. Aber im vergangenen Juni ist Rios Zwillingsschwester Mavis gestorben, und das hat alles verändert.
Der Todestag der 15-jährigen Zwillingsschwester von Rio jährt sich zum ersten Mal. In poetischen Bildern beschreibt die Robert-Gernhardt-Preisträgerin Annika Scheffel in ihrem ersten Jugendroman „Alle Farben von Licht“ die Trauerbewältigung der Betroffenen und zeigt trotz vieler Rückschläge zuversichtliche Wege in eine andere Zukunft.
Dafür gab es den LesePeter für den Monat Juni.
Wie ist das, wenn die 15-jährige Zwillingsschwester tödlich verunglückt? Verarbeitet man das problemlos? Vor allem, wenn man geglaubt hat, selbst ihre geheimsten Wünsche gekannt zu haben? Für den inzwischen 16-jährigen Bruder öffnet sich eine neue Welt, als er eine alte Kamera seiner Zwillingsschwester findet und auf den Fotos unbekannte Welten entdeckt. Kann ihm der geheimnisvolle Nachbarjunge helfen, die Welt seiner toten Schwester zu erkunden?
Sommer in der Stadt. Für Nuri, Flip und die anderen in der Clique sollen es super Ferien werden. Wenn da nicht vor genau einem Jahr Rios Zwillingsschwester tödlich verunglückt wäre. Rio ist nicht bereit für einen Super-Sommer. Spätestens als er auf dem Fünf-Meter-Sprungturm eine Panikattacke erlebt, spürt er, dass der Sommer anders verlaufen wird. Er hat den tödlichen Unfall seiner Schwester Mavis absolut noch nicht verarbeitet. Er findet eine alte Kamera, die Mavis gehört hatte, lässt den Film entwickeln und will all die Orte aufsuchen, die sie fotografiert hat. Er erhofft sich, ihr so etwas näherzukommen.
Der geheimnisvolle Nachbarjunge aus dem Hinterhaus, den alle Dracula nennen und der eigentlich Franz heißt, hilft ihm dabei. Die Bilder führen die beiden zu einem verwilderten Park, zu einem stillen See und zu einem unheimlichen Gruselkabinett mitten in der Stadt. Rio hatte immer gedacht, seine Schwester in- und auswendig zu kennen, doch jetzt entstehen neue Bilder von einer ihm unbekannten Mavis. Und Franz und Rio kommen sich näher. Gefühle entstehen zwischen den beiden, die über eine normale Freundschaft weit hinausgehen. Ob das gesellschaftlich akzeptiert wird, ist beiden unklar. Doch auf dem Dachgarten ihres Hauses blicken sie in den warmen Sonnenuntergang eines Sommertages, in ein Licht, das die Stadt in vielen Lichtfacetten aufleuchten lässt. Rio und Franz finden zueinander und zu einem Weg, der den Tod der geliebten Schwester in ein anderes Licht taucht.
Poetischer Jugendroman zum Thema Tod
Scheffel, die von der Solupp-Reihe her bekannt ist, hat hier einen poetischen Jugendroman zum Thema Tod vorgelegt. Zugleich handelt es sich um einen Roman über das Leben und über die Liebe, über die Zuversicht und über die Zukunft. Sie nimmt uns mit in die Welt der Trauernden, denn auch die Clique trauert um Mavis, auch wenn sich das Leben im Freundeskreis oberflächlich betrachtet als ein fröhliches gestaltet. Sie nimmt uns mit in die Unterwelt des Gruselkabinetts und zeigt uns Bilder, die nur mit der Psychologie von C. G. Jung erklärbar werden. Sie nimmt uns mit ihrer poetischen Sprache mit auf das Dach, auf dem Rio und Franz in dem warmen Sommerabend neue Perspektiven erahnen. Denn auch Franz muss den Tod seiner Mutter verarbeiten.
Scheffel ist ein einfühlsamer Roman gelungen, der Ängste, Trauer, und Einsamkeit in weicher, zugänglicher Sprache formuliert. Rio und Franz erkennen, dass das Leben zwar weitergeht, aber nicht unbedingt so, wie sie es sich früher vorgestellt hatten. Trotz der schwierigen Themen ist der Roman rund und trotz der Trauer ist er richtig schön. Deshalb sollte man den Roman unbedingt gelesen haben – auch als erwachsener Mensch.
Die Autorin
Annika Scheffel wurde 1983 in Hannover geboren. Sie studierende angewandte Theaterwissenschaften. 2009 erschien ihr Debutroman, der mit dem Förderpreis des Grimmelshausen-Preises ausgezeichnet wurde. Für ihr Romanprojekt „Hier ist es schön“, aus dem ein 2016 bei Suhrkamp verlegter Band hervorging, bekam sie den Robert-Gernhardt-Preis.
Die AJuM vergibt den LesePeter monatlich abwechselnd in den Sparten Kinderbuch, Jugendbuch, Sachbuch und Bilderbuch.
Annika Scheffel, Alle Farben von Licht, Carlsen 2024, 480 Seiten, ISBN: 978-3551585653, ab 14 Jahren, 17 Euro (Hardcover)