Zum Inhalt springen

Dauerstellen für Daueraufgaben

Jüngste Urteile stärken Forderungen der GEW

Das Arbeitsgericht Berlin und das Arbeitsgericht Berlin-Brandenburg haben der fortlaufenden jahrelangen Befristung von zwei Beschäftigten einen Riegel vorgeschoben. Die GEW begrüßt die Entscheidungen und formuliert Erwartungen an die Politik.

Der Einsatz der GEW für mehr unbefristete Stellen im Wissenschaftsbetrieb bekommt Rückenwind durch zwei Urteile des Arbeitsgerichtes Berlin und des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg. Geklagt hatten ein Social Media Manger sowie eine in Forschungsprojekten eingesetzte Arzthelferin. Die Gerichte entschieden in beiden Fällen im Sinne der Klagenden.

Der Social Media Manager hat seit August 2012 seinen vierten befristeten Arbeitsvertrag. Sein jüngster Vertrag wäre zum 31. Juli 2021 ausgelaufen, dagegen zog er vor Gericht und hatte Erfolg (Aktenzeichen: 54 Ca 3597/20). Das Gericht wertete die Aufgaben des Social Media Managers eindeutig als Daueraufgaben, demgegenüber die üblicherweise mit der Berufstätigkeit verbundene Weiterbildung nicht ins Gewicht falle. Der Arbeitgeber - „ein privatrechtlich verfasster Verein zur Förderung und Finanzierung von Forschungsvorhaben, der von 19 rechtlich selbständigen Forschungseinrichtungen mitgliedschaftlich getragen wird“ (die Rede ist offensichtlich von der Helmholtz-Gemeinschaft) - hatte überdies versucht zu argumentieren, der regelmäßige Personalaustausch entspreche seinem im Personal- und Entwicklungskonzept niedergelegten Selbstverständnis. Jedoch: „Das Selbstverständnis eines Arbeitgebers rechtfertigt die Befristung eines Arbeitsverhältnisses regelmäßig nicht“ – so der Leitsatz des Urteils.

Auch eine an der Charité seit 2002 in verschiedenen Forschungsprojekten als „study nurse“ eingesetzte Arzthelferin klagte erfolgreich auf Entfristung. Hier bestätigte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg das vorausgegangene Urteil des Arbeitsgerichts Berlin (Aktenzeichen 5 Sa 1572/20) Die Begründung: Die Tätigkeit der Kollegin habe über den gesamten Beschäftigungszeitraum „im Wesentlichen unverändert“ bestanden, woran auch einzelne Fortbildungen und kurze Unterbrechungen sowie der Einsatz in wechselnden Forschungsprojekten nichts änderten. In diesem Sinne bewerteten beide Instanzen die Tätigkeit als Daueraufgabe und die Befristung als unwirksam. Eine Revision ist nicht zugelassen.

„Man muss es leider so deutlich sagen: Rechtsmissbrauch im Umgang mit Befristungen sind in der Wissenschaft keine Einzelfälle. Sie haben System.“ (Andreas Keller)

„Dauerstellen für Daueraufgaben – dieser arbeitsrechtliche Grundsatz gilt auch in der Wissenschaft. Die GEW gratuliert den Beschäftigten, die den Mut hatten, ihr Recht auf einen unbefristeten Arbeitsvertrag gerichtlich durchzusetzen“, kommentierte der GEW-Hochschulexperte und Vizevorsitzende Andreas Keller. Die Urteilsbegründungen zeigten, dass Arbeitgeber vor Gericht Befristungsbegründungen vortrügen, die weit über die gesetzlich normierten Sachgründe hinausgingen. „Man muss es leider so deutlich sagen: Rechtsmissbrauch im Umgang mit Befristungen sind in der Wissenschaft keine Einzelfälle. Sie haben System.“

Vom Normalarbeitsverhältnis weit entfernt

Keller verwies auf eine kleine Anfrage der Fraktion der Partei Die Linke im Bundestag, die nach Beschäftigungsbedingungen in den außeruniversitären Forschungseinrichtungen gefragt hatte. In der Antwort der Bundesregierung vom 21. April 2021 wird deutlich, wie sehr die überwiegend öffentlich geförderte Forschung auf Arbeitsverträgen gründet, die sich weit vom sogenannten Normalarbeitsverhältnis entfernt haben. Die Befristungsquote bei den wissenschaftlichen Beschäftigten liegt demnach zwischen 55 und 78 Prozent, bei den nicht-wissenschaftlich Beschäftigten zwischen 20 und 31 Prozent. Zum Vergleich: Bezogen auf alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer liegt die Befristungsquote bei nur acht Prozent.

„Es bleibt zu hoffen, dass diese beiden Urteile – ebenso wie bereits das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom Oktober 2020 – dazu beitragen, der rechtsmissbräuchlichen Praxis an Hochschulen und Forschungsinstituten ein Ende zu setzen. Von der Bundesregierung erwarten wir, dass sie in Zukunft die öffentliche Finanzierung von Hochschulen und Forschungsinstituten grundsätzlich von der Gewährleistung guter Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen abhängig macht und dies regelmäßig überprüft“, forderte Keller.