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TVStud-Aktionstreffen in Göttingen

„Jetzt oder nie!“ - Signal für den Aufbruch

Nach ihrer Aktionskonferenz sind die studentischen Beschäftigten gut gerüstet für den Aufbau einer bundesweiten Streikbewegung für einen Tarifvertrag TVStud.

Unter dem Motto „Hilfskräfte aller Hochschulen vereinigt euch!“ organisieren sich bundesweit TVStud-Initiativen für einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte (Foto: Kay Herschelmann, 24.2.2023).

„Jetzt oder nie!“: Unter diesem Motto kamen am vergangenen Wochenende rund 250 studentische Beschäftigte zu einer dreitägigen Konferenz in Göttingen zusammen. Das Ziel: sich vernetzen, gemeinsam Aktionen planen und mit einer bundesweiten Streikbewegung Druck für einen flächendeckenden Tarifvertrag für studentische Beschäftigte (TVStud) aufbauen.

„Die politischen Rahmenbedingungen sind historisch gut, das müssen wir nutzen und uns organisieren.“ (Ann-Kathrin Hoffmann)

„Das war ein überwältigender Startschuss für den Aufbau einer bundesweiten Streikbewegung. Jetzt kommt es darauf an, in den kommenden Monaten mit möglichst vielen Kolleg*innen Gespräche zu führen und sie auf dem Weg zur Tarifrunde im Herbst mitzunehmen. Die politischen Rahmenbedingungen sind historisch gut, das müssen wir nutzen und uns organisieren. Jetzt oder nie!“, sagte Ann-Kathrin Hoffmann, Sprecherin des Bundesausschusses der GEW-Studierenden und Mitgründerin der TVStud-Initiative Schleswig-Holstein.

Denn im Oktober steht die Tarifrunde der Länder vor der Tür. Ziel ist es, einen Tarifvertrag für die mehr als 300.000 studentischen Beschäftigten (TVStud) in Deutschland durchzusetzen. Bislang gibt es lediglich in Berlin einen Tarifvertrag für diese Beschäftigtengruppe.

Handwerkszeug für Kampagnen

Die Aufbruchsstimmung und der Wille, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen, waren in Göttingen deutlich spürbar. „Wir haben die Schnauze voll“, „Tarifflucht wegstreiken – TV-L für alle“ – steht auf den Transparenten, die in der Georg-August-Universität aufgehängt waren. Aktiv und engagiert diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 44 Städten miteinander über ihre prekären Beschäftigungsverhältnisse – und vor allem darüber, was sich dagegen gemeinsam tun lässt. Zu der Konferenz hatten die Gewerkschaften GEW und ver.di sowie studentische Organisationen eingeladen.

Herzstück der Veranstaltung war die so genannte „Organizing Akademie“. Diese sollte den Teilnehmer*innen das Handwerkszeug vermitteln, das sie benötigen, um eine bundesweite Streikbewegung auf die Beine zu stellen, die so großen Druck erzeugt, dass am Ende der Erfolg steht. Erfahrene Organizer*innen gaben Tipps, wie es gelingen kann, möglichst viele Menschen zu mobilisieren und auch die öffentliche Meinung hinter sich zu bringen.

„Wir haben richtig was gerissen.“ (Heidi Heil)

Die Hamburger TVStud-Aktivistin Heidi Heil machte deutlich, wie es gelingen kann, trotz eines anfangs geringen Organisationsgrades eine große Mobilisierung von Beschäftigten zu erreichen. Bei den Streiks 2021 habe man in Hamburg bis zu 400 Beschäftigte und Unterstützer auf die Straße bekommen, berichtete sie. Zu diesem Erfolg habe vor allem die lange und intensive Vorbereitung beigetragen: „Wir sind hart ins Organizing gegangen.“

Im Rahmen der Schulungen sei es unter anderem um Ansprachetrainings, das Entwickeln und Erzählen von Ich-Geschichten und den Umgang mit Einwänden gegangen. Entsprechend präpariert seien sie dann mit Gesprächsbögen auf Beschäftigte zugegangen. Außerdem habe man ein Streikcafé eingerichtet, das als Ausgangsbasis für die weiteren Aktionen und Workshops diente. So sei es gelungen, eine breite Protestbewegung für das Streiksemester 2021/22 zu mobilisieren, sagte Heidi Heil: „Wir haben richtig was gerissen.“

Kettenverträge und Dumping-Löhne

Wie schlecht die Arbeitsbedingungen sind, belegt jetzt auch eine groß angelegte Befragung  des Instituts für Arbeit und Wirtschaft (iaw) der Universität Bremen von mehr als 11.000 Beschäftigten an Hochschulen und Forschungseinrichtungen aus ganz Deutschland.

„Durch dieses System von Kettenbefristungen haben die studentischen Beschäftigten keinerlei Planungssicherheit (...).“ (Andreas Keller)

So erhalten studentische Beschäftigte nur kurzzeitige Verträge mit Laufzeiten von durchschnittlich knapp sechs Monaten. Viele sind mehrmals in Folge auf ein und derselben Stelle beschäftigt und erhalten nur Dumpinglöhne. „Durch dieses System von Kettenbefristungen haben die studentischen Beschäftigten keinerlei Planungssicherheit, weil sie nie wissen, ob ihr Vertrag verlängert wird“, sagte Andreas Keller, stellvertretender GEW-Vorsitzender und Vorstandsmitglied für Hochschule und Forschung. Eine der Forderungen sei deshalb, in dem angestrebten Tarifvertrag eine Mindestlaufzeit für die Arbeitsverträge festzulegen.

Tarifvertragsfreie Zone – ein Skandal

Die Länder hätten nie eine ernsthafte Bereitschaft gezeigt, auch nur Gespräche über die studentischen Beschäftigten aufzunehmen. Dies sei ein Skandal: „Auf der einen Seite werden bei öffentlichen Auftragsvergaben zurecht nur Unternehmen berücksichtigt, die sich zur Tariftreue verpflichten, auf der anderen Seite leistet sich der öffentliche Dienst der Länder in seinem eigenen Bereich eine tarifvertragsfreie Zone und enthält einer großen Gruppe von Beschäftigten einen Tarifvertrag vor“, sagte Keller.