"Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung." So proklamieren es 160 Staaten seit 1948 in Artikel 26 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“. Bis heute ist der Weg von dieser Absichtserklärung zur konkreten Umsetzung des Grundrechts auf Bildung vielerorts von Hindernissen gepflastert. Nicht selten ist der Bildungszugang ein Privileg. Gerade Menschen, die aus einem sozial schlechter gestellten Umfeld kommen, sind besonders auf öffentlich geförderte Bildungsangebote angewiesen - von der Kita über die Schule bis an die Universität und bis zur Weiterbildung. Global betrachtet sind es meist Mädchen und junge Frauen, welchen aus sozialen, familiären und finanziellen Gründen die Bildungsteilhabe verwehrt bleibt.
Nach aktuellen Angaben des UNESCO-Instituts für Statistik (UIS) und der UNICEF besuchen 63 Millionen Jugendliche weltweit keine weiterführende Schule. Insgesamt haben 121 Millionen Kinder und Jugendliche nie eine Schule besucht oder diese wieder verlassen. Die internationale Gemeinschaft hat ihr Versprechen, bis 2015 „Bildung für alle“ zu erwirken, damit verfehlt. Nicht zuletzt seit der Euro-Krise ist zudem offensichtlich, dass die Bildungsfinanzierung auch in den reichen Industriestaaten des Nordens problematischer wird.
Im Zusammenschluss mit dem Europäischen Dachverband der Bildungsgewerkschaften (ETUCE) hat die GEW der neoliberalen Bildungspolitik darum den Kampf angesagt. Denn die EU-weiten Haushaltseinsparungen schlagen sich zunehmend in Kürzung der öffentlichen Bildungsausgaben nieder, was zu Lasten der Bildungsqualität und Bildungsteilhabe von Mädchen und Jungen geht.
Ziel ist ein geschlechtergerechtes und inklusives Bildungssystem
Die im Jahr 1995 auf der 4. Weltfrauenkonferenz formulierten Forderungen nach einer gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Mädchen an Bildung gelten also weiterhin. Das Grundziel aus Peking von der „Gewährleistung gleicher Bildungschancen für Jungen und Mädchen“ ist Teil des geschlechterdemokratischen Bildungsverständnisses der GEW und eines ihrer zentralen Anliegen. Mädchen gelten im Bildungssystem Deutschlands zwar mittlerweile als Siegerinnen, doch eine tatsächlich geschlechtergerechte Bildungspolitik ist auch hierzulande nicht umgesetzt.
Wie auf der 4. Weltfrauenkonferenz eingefordert, setzt sich die GEW in ihrer täglichen Arbeit darum für den Abbau von mittelbaren und unmittelbaren Diskriminierungen ein. Ziel ist ein geschlechtergerechtes und inklusives Bildungssystem, das die Teilhabe aller Menschen in allen Lebensbereichen gewährleistet, ihre Unterschiedlichkeit wertschätzt und individuell fördert. Mit dem Projekt „Zukunftsforum Lehrer_innenbildung“ arbeitet die GEW an einer Neuorganisation des Lehramtsstudiums in allen Phasen - Studium, Referendariat, Berufseinstieg und Weiterbildung.
Genderkompetenz muss als Schlüsselqualifikation der Profession des Lehrers beziehungsweise der Lehrerin in die Ausbildung fest integriert werden, in enger Verbindung mit einem umfassenden Verständnis von geschlechtergerechter und inklusiver Bildung. Denn weder Genderkompetenz noch Inklusion sind bislang fester Bestandteil des Lehramtsstudiums.
Ausbau der Geschlechterdemokratie
Zugleich setzt sich die GEW für den Abbau von Geschlechterstereotypen und von Diskriminierungen wegen des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung ein. In Unterrichtsmaterialien und Schulbüchern ist mit Blick auf einen geschlechtergerechten Umgang mit Jungen und Mädchen ein „Rollback“ zu beobachten. In viele Schulbücher finden sich weiterhin Rollenklischees.
Der Ausbau der Geschlechterdemokratie ist Satzungsauftrag der GEW. Dieser Auftrag richtet sich an die berufliche Situation der GEW-Mitglieder und an alle Bereiche der Bildung, Erziehung und Wissenschaft. In diesem Sinne macht sich die GEW seit Jahrzehnten auf nationaler und internationaler Ebene für das stark, was die 4. Weltfrauenkonferenz proklamierte.
Frauke Gützkow
Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands der GEW