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Arbeitszeiterfassung

Jede Stunde zählt!

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit einem Urteil vom Mai 2019 Arbeitgeber verpflichtet, die volle Arbeitszeit ihrer Beschäftigten systematisch zu erfassen – auch an Schulen. Doch die Länder spielen auf Zeit.

Wenn die Arbeitszeit an Schulen erfasst wird, können sich Arbeitgeber nicht mehr davor wegducken, dass die faktisch geleistete Arbeitszeit der Lehrkräfte zu hoch ist. (Foto: IMAGO/Panthermedia)

Die neueste Meldung stammt aus Bremen: Dort kündigte die Bildungssenatorin Sascha Karolin Aulepp (SPD) in einer Pressemitteilung Mitte Februar an, das Land wolle – gemeinsam mit anderen Bundesländern – eine Pilotstudie starten, begleitet von der Telekom Stiftung. Begründet wird das Projekt mit dem EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung. Erreicht werden soll die Umsetzung der Entscheidung laut Aulepp durch „moderne Arbeitszeitmodelle, die gerecht und flexibel sind“.

Die Ankündigung aus Bremen ist typisch für die Diskussion über die Arbeitszeiterfassung bei Lehrkräften. Dabei werden zwei Fragen vermischt, die zunächst einmal unabhängig voneinander sind. Erstens: Wie plane ich die Arbeitszeit und den Einsatz der Lehrkräfte? Das ist der Ex-ante-Blick auf Arbeitszeit. Traditionell geschieht das in Deutschland über Deputate (Pflichtstunden, Regelstundenmaße). In Hamburg wird dafür seit über 20 Jahren ein sogenanntes Jahresarbeitszeitmodell verwendet, in dem unterschiedlichen Aufgaben unterschiedliche Zeitkontingente zugewiesen werden. Zweitens: Wie wird erfasst, wie viel und wann Lehrkräfte gearbeitet haben? Das ist der Ex-post-Blick auf Arbeitszeit. Diesen gibt es bislang nur im Rahmen ausgewählter wissenschaftlicher Studien, aber nicht flächendeckend und nicht durch den Arbeitgeber.

Natürlich hat das eine mit dem anderen zu tun. Falls der Arbeitgeber die Arbeitszeit erfasst und er dabei feststellen sollte, dass die Arbeitszeit gesundheitsgefährdend ist, müsste er die Arbeit für die Zukunft anders planen. Aber zunächst ist die Arbeitszeiterfassung mit jedem Arbeitszeitmodell kompatibel. Auch wenn – wie heute in 15 von 16 Bundesländern – nur die Unterrichtsverpflichtung durch den Dienstherrn und Arbeitgeber vorgegeben ist, spricht nichts dagegen, täglich festzuhalten, wann und wie viel jede Lehrkraft gearbeitet hat.

Anforderungen an die Umsetzung

Der Gewerkschaftstag der GEW hatte sich bereits 2022 klar für die Erfassung der Arbeitszeit an Schulen ausgesprochen. Im November 2023 formulierte der GEW-Hauptvorstand, das höchste beschlussfassende Gremium zwischen den Gewerkschaftstagen, Anforderungen an die Umsetzung:

  • Die vom Arbeitgeber zu verantwortende Erfassung der geleisteten Arbeitszeit muss datensparsam erfolgen – es wird nur erfasst, was gesetzlich erforderlich ist: Anfang, Ende und Pausen. Die Beschäftigten sowie die zur Vertraulichkeit verpflichteten Personalvertretungen haben jederzeit Zugriff auf die gespeicherten Daten.
  • Die Erfassung sollte zeitnah durch die Beschäftigten mit einem einfach zu handhabenden, manipulationssicheren elektronischen System erfolgen. Sie ist dadurch unabhängig von Zeit und Ort der Erbringung der Arbeitszeit und schränkt die Lehrkräfte nicht in ihrer pädagogischen Freiheit ein. Das Zeiterfassungssystem sollte ebenso für die weiteren Beschäftigten an den Schulen eingesetzt werden.
  • Die Arbeitszeiterfassung ist kein Instrument der Leistungs- und Verhaltenskontrolle. Maßnahmen zur Durchsetzung von Arbeitsschutznormen sind gemeinsam mit den Personalräten zu entwickeln und müssen die Arbeits- und Lebensrealität der Lehrkräfte berücksichtigen.

Klare Position des GEW-Hauptvorstandes

Den Anforderungen des EuGH-Urteils ist mit einer einfachen Erfassung in Stunden und Minuten genüge getan. Auch in anderen Branchen sind Fragen der Arbeitszeit und der Arbeitsinhalte zwei separate Themen. Zugleich hat die differenzierte Erfassung verschiedener Tätigkeitencluster in den wissenschaftlichen Studien zur Lehrkräftearbeitszeit bei vielen Beschäftigten die Erwartung geweckt, dass dies auch dann der Fall sein würde, wenn der Dienstherr und Arbeitgeber die Arbeitszeit erfasst. Auch hierzu hat sich der Hauptvorstand der GEW klar positioniert:

  • Um die einzelnen Lehrerinnen und Lehrer bei der Planung und Steuerung ihrer eigenen Arbeit zu unterstützen, kann eine differenziertere Erfassung verschiedener Tätigkeitencluster hilfreich sein. Diese Informationen dürfen nur der einzelnen Lehrkraft zur Verfügung stehen, nicht den Dienstvorgesetzten.
  • Um die Handlungsbedarfe aufgrund zeitlicher Überlastung zu identifizieren, ist es sinnvoll, die Daten in einem aggregierbaren Format zu erfassen und zu speichern. Weitergehende Informationen, zum Beispiel über Tätigkeitencluster, dürfen nur in anonymisierter Form aggregiert und verarbeitet werden. Dann aber können sie wertvolle Informationen zur Weiterentwicklung der Schulentwicklung und der Personalbedarfsplanung liefern.