Kommentar zum Startchancen-Programm
Januskopf
Das Startchancen-Programm kann die eklatante soziale Schieflage im deutschen Bildungssystem nicht beseitigen.
Endlich kommt das Startchancen-Programm zum Laufen! Angelegt auf zehn Jahre ist es ein länger währendes Programm als andere und zumindest über eine Legislaturperiode hinausgedacht. Auch wurde selten bei einer Kooperation von Bund und Ländern, die jeweils zehn Milliarden Euro beisteuern sollen, so viel Geld in die Hand genommen. Dass die Mittelvergabe in der Programmsäule I, dem Investitionsprogramm, nach Sozialindikatoren erfolgt, ist zudem ein Durchbruch. Die Verteilung der Bundesmittel erfolgte bisher nämlich nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel, der sich nach dem Steueraufkommen und der Bevölkerungszahl der Länder berechnet und so verhindert, dass das Geld dort ankommt, wo die Bildungsungleichheit am größten ist. Migration, die Armutsgefährdungsquote der jungen Menschen und das „negative Bruttoinlandsprodukt“, also die wirtschaftliche Kraft eines Landes, werden jetzt immerhin teilweise berücksichtigt.
Die Chance, tatsächlich einen Paradigmenwechsel vorzunehmen, wurde also verpasst.
Bei den beiden anderen Säulen des Startchancen-Programms, dem „Chancenbudget“ und der Unterstützung multiprofessioneller Zusammenarbeit, spielen soziale Kriterien aber weiterhin keine Rolle. Nur innerhalb der Länder gibt es die Auflage, sozial benachteiligte Schulen für das Programm auszuwählen. Die Chance, tatsächlich einen Paradigmenwechsel vorzunehmen, wurde also verpasst. Es bleibt zu hoffen, dass die in den Ländern ausgewählten Schulen auch tatsächlich die Schulen mit dem größten Bedarf sind. Und dass die Länder sich nicht aus der Verantwortung stehlen, weil sich eigene Projekte und Maßnahmen auf den Länderbeitrag anrechnen lassen. Von den Ländern erwartet die GEW außerdem, dass diese die Schulen und Schulleitungen bei der Administration des Programms, der Schulentwicklung und der pädagogischen Umsetzung unterstützen.
Unterm Strich wird sich die eklatante soziale Schieflage im deutschen Schulwesen durch das Startchancen-Programm lange nicht erledigt haben. Eine langfristige Ausfinanzierung für alle Schulen nach deren tatsächlichem Bedarf, ein Abbau der sozialen Selektion im Schulwesen und eine konsequente Bekämpfung der Kinderarmut wären also die bessere und weitsichtigere Lösung. Es geht um die Entkopplung von sozioökonomischer Herkunft und Bildungs-erfolg. Deshalb muss Ungleiches auch ungleich behandelt werden!