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Jagd auf Fotograf nach Pegida-Demo

Es sind zwei Videoausschnitte der Pegida-Demonstration im Januar in Köln, die dem niedersächsischen Präventionsexperten Sebastian Ramnitz jetzt zahlreiche Morddrohungen via Netz einbrachten.

Foto: Imago

Nicht nur bei Facebook ging Ramnitz blitzschnell als "Böllerwerfer von Köln" durch die Netzwerke, sogar einige bürgerliche Medien übernahmen die Anschuldigungen ungeprüft und titelten wie die "Huffington Post": "Presse-Fotograf soll Böller auf Pegida-Demo gezündet haben." "Ich finde die Anschuldigungen unglaublich, ich habe keinen Böller geworfen. Warum sollte ich das auch tun?", sagt Sebastian Ramnitz. Doch die Wahrheit interessiert kaum einen bei Facebook. Diverse Gruppen befeuern sich in Windeseile. Eine Gruppe namens "Bundesregierung Game Over" stellt unter anderem Ramnitz' Privatanschrift und sämtliche Kontaktdaten ins Netz, andere beschimpfen ihn als "Spitzel" oder "Agent Provokateur". Eilig wird aus dem Kracher ein "Polenböller", durch den "unmittelbarer Körperschaden gegen Schutzlose" entstanden sei.

Außer Rand und Band
Viele User, darunter auch weibliche, sind völlig außer Rand und Band, scheinen keine Grenzen mehr zu kennen. So droht einer namens "Werner Feigel" dem niedersächsischen Präventionsexperten: "Kopfschuss für dich du Ratte." Und ein "Konrad Hase" (Pseudonym) schreibt: "Geil der Vogel wohnt in meiner Nähe. Mal sehen wie lange noch." Oder ein "Andreas Grafe" postet: "Gebt mir ein Scharfschützengewehr und ich erledige den Bastard." Zur "Mobilmachung" gegen Ramnitz reichten vor allem Mutmaßungen. "Köln TV" hatte zeitnah ein Video von den rechten Ausschreitungen eingestellt. Darauf ist zu sehen, wie ein Böller neben einem Wasserwerfer der Polizei explodiert und Journalisten und Fotografen, darunter Ramnitz, eilig ausweichen. Kurze Zeit später ist in einem anderen Clip ein in der Szene bekannter rechter Anwalt zu sehen und neben ihm ein Mann, der Polizisten laut auffordert, den angeblichen Böllerwerfer "mit dem grauen Mantel" festzunehmen, der sei gerade durch die Polizeisperre entschwunden. Ein Missverständnis entsteht, denn eine Polizistin erklärt daraufhin, sie hätte nur zwei Männer mit Presseausweis durchgelassen - und schon ist das Konstrukt da. Eine Frau schreit sofort in die Kamera: "Wie - die Presse schmeißt mit Böllern hier?"

"Viech" oder "Freiwild"
Ein Polizist will weitere Videoaufnahmen unterbinden, der aufgebrachte Mann sagt leise zu seinem Filmer: "Ja, mach aus." Diese Szenen sorgen für eine brisante Dynamik. Ramnitz kann sich das Ganze kaum erklären. "Ich habe nicht mal einen grauen Mantel getragen", sagt der Niedersachse, der sich als Fotograf bei rechten Demonstrationen immer wieder ein eigenes Bild von der Szene gemacht hat. Nun titulieren ihn Unbekannte als "Viech" oder "Freiwild". In den ersten Stunden nach dem Vorfall hat er noch ironisch auf Facebook reagiert, dann wurde ihm der Ernst der Situation bewusst. Sogar ein "Kundendienst" von Facebook, der sich einschaltete und die online Diskutierenden warnte, erntete mit seiner Ankündigung, die Kommentare würden nun überwacht und abgespeichert, bei den Usern nur Spott.