Finanzielle Kürzungen drohen
Integrationskurse in Gefahr
Trotz schlechter Bedingungen für die Lehrkräfte schreiben die Integrationskurse in Deutschland eine Erfolgsgeschichte. Doch nun droht der Kahlschlag. Laut aktuellem Haushaltsentwurf sollen die Ausgaben für die Kurse stark gekürzt werden.
Laut eines Berichtes des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) begannen 2024 mehr als 363.000 Menschen einen Integrationskurs. Dort büffeln sie 600 Stunden Deutsch, erfahren in weiteren 100 Stunden Wichtiges über Deutschland und erhöhen so ihre Chance auf Integration sowie einen Job. 1,07 Milliarden Euro stellt der Bund dafür im laufenden Jahr zur Verfügung.
Lange Wartelisten und schlechte Bezahlung
Die Zahl der Teilnehmenden wird laut Schätzungen kaum sinken. Was so auch im Haushaltsentwurf für 2025 nachzulesen ist. Dennoch will der Bund die Ausgaben für die Kurse im kommenden Jahr auf rund 500 Millionen Euro kürzen. Und dies, obwohl der Finanzbedarf weiter steigt. Anfang Oktober bewilligte das Bundesfinanzministerium kurzfristig weitere rund 174 Millionen Euro für 2024. Der Nachschlag war notwendig geworden, weil von den 1,07 Milliarden Euro bis Ende September bereits 997 Millionen ausgegeben waren und das Bundesinnenministerium bis Ende dieses Jahres Gesamtausgaben in Höhe von 1,244 Milliarden Euro erwartet.
Sprachförderung wirkt sich positiv aus
Die Bedeutung der Kurse unterstreicht ein in diesem Jahr veröffentlichter Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zum Stand der Integration der Eingewanderten. Demnach ist Deutschland das zweitgrößte Aufnahmeland von Migrantinnen und Migranten im OECD-Raum. 2022 lebten hierzulande über 14 Millionen Eingewanderte. Laut OECD-Bericht gibt es Anzeichen dafür, dass sich die Investitionen Deutschlands, insbesondere in die Integrationskurse, bezahlt machen: „2022 erreichte ihre Erwerbstätigenquote in Deutschland ein Rekordhoch von 70 Prozent und war damit deutlich höher als in den meisten anderen Vergleichsländern der Europäischen Union (EU). Insbesondere die umfassende Sprachförderung scheint sich positiv auszuwirken: Die Sprachkenntnisse Eingewanderter haben sich in Deutschland stärker verbessert als in den meisten anderen EU-Ländern.“
Zugleich jedoch warnt die OECD, dass nur die Hälfte der Eingewanderten mit sehr niedrigem Bildungsniveau, sprich ohne Grundqualifikationen, erwerbstätig sei. Lediglich ein Viertel erreiche nach mindestens fünf Jahren Aufenthalt ein fortgeschrittenes Deutschniveau.
„Wir benötigen jährlich 400.000 Zuwandererinnen und Zuwanderer für den Arbeitsmarkt.“ (Ralf Becker)
Gründe genug nicht weniger, sondern mehr Geld und Personal in die Integrationskurse zu investieren. Das meint jedenfalls Ralf Becker, Leiter des GEW-Vorstandsbereichs Berufliche Bildung und Weiterbildung. „Wir sind ein Einwanderungsland, daher ist die Begleitung der Einwandernden eine Daueraufgabe. Wir benötigen jährlich 400.000 Zuwandererinnen und Zuwanderer für den Arbeitsmarkt. Sie alle kommen mit Familien. Wenn wir es mit der Integration ernst meinen, müssen wir verlässliche, wohnortnahe und ausfinanzierte Strukturen zur Beratung und Bildung der zugewanderten Arbeitnehmenden und ihrer Familien schaffen.“
Wartelisten sind extrem lang
Becker weist nicht nur auf die häufig langen Wartelisten bei den Kursen hin, sondern insbesondere auf die schlechte Bezahlung der Integrationslehrkräfte: „Die Lehrenden haben einen Hochschulabschluss, opfern viel Zeit für die erforderlichen Zusatzqualifikationen sowie Fortbildungen und erhalten dann weniger als 2.000 Euro netto im Monat.“
Der Einschätzung stimmt die Leiterin der Volkshochschule Bonn, Gabriele Tillmanns, ausdrücklich zu. Ihr Haus bietet aktuell jährlich 17 Kurse an. Sie weiß aber: „Es könnten doppelt so viele sein.“ Die Wartelisten seien extrem lang, zumal sich herumgesprochen habe, dass „wir nicht nur das Fachliche vermitteln, sondern eine sehr effektive Einzelberatung bis hin zu traumatherapeutischer Unterstützung anbieten. Dafür benötigen wir, aber eben auch alle anderen Anbieter mehr und verlässliche Finanzen.“
„Wie soll das funktionieren?“
Der Deutsche Volkshochschul-Verband (DVV) wehrt sich ebenfalls gegen die Kürzungspläne: „Gemessen an den Werten für 2024 sollen im kommenden Jahr mit 53 Prozent weniger Mitteln rund 23 Prozent mehr neue Lernende Deutschunterricht erhalten. Uns ist unklar, wie das funktionieren soll“, rätselt DVV-Direktorin Julia von Westerholt.
Auch sie hofft, dass das für die Integrationskurse zuständige Innenministerium seiner Ankündigung Taten folgen lässt. Dort hieß es auf Anfrage der E&W: „In Bezug auf die Integrationskurse sind die finanziellen Bedarfe für das kommende Jahr aktuell noch nicht bezifferbar und weiter zu prüfen. Die Bundesregierung hat sich deshalb darauf verständigt, die konkrete finanzielle Ausstattung des Integrationskursbereichs im Zuge der parlamentarischen Beratungen zum Haushalt 2025 zu bestimmen. Dem Ergebnis dieser Beratungen können wir nicht vorgreifen.“
Die GEW hat sich gemeinsam mit Trägerorganisationen und Verbänden in einem Positionspapier dafür stark gemacht, die Mittel für Integrationskurse im Haushalt 2025 auf mindestens 1,1Mrd. Euro zu erhöhen.