Um grundlegende Ansprüche der Bildung in demokratisch verfassten Gesellschaften, nämlich Mündigkeit, Selbstbestimmungsfähigkeit und individuelle Verantwortlichkeit einzulösen, braucht es dem aktuellen Entwicklungsstand entsprechende basale Wissensbestände. Bezogen auf Informatik sind diese Grundlagen nicht nur Fakten, sondern zudem besondere Fachmethoden. Beiden Dimensionen gilt es, zur Ermöglichung informatischer Bildung Rechnung zu tragen.
Informatik ist allgegenwärtig: Die heutige Welt ist durch Informatik geprägt und von Informatik durchdrungen. Jede Arbeit und alle Lebensbereiche außerhalb individueller Arbeitszusammenhänge sind betroffen. Unzählige Bereiche werden heute und in Zukunft durch informatisch gestaltete Interaktion, Kommunikation und informatische Werkzeuge (heute als Tools oder Apps bezeichnet) nicht nur beeinflusst, sondern geändert.
Informatische Kompetenzen sind für eigenständige Problembewältigung und Situationsbewertung in einem Alltag notwendig, der zunehmend von Informatik durchdrungen ist.
In dieser Welt braucht es informatische Mündigkeit – gleich ob die Informatikmittel in anwendender, gestaltender oder passiv-erlebender und nutzender Absicht in Erscheinung treten. Um informatische Mündigkeit zu entwickeln, benötigen alle Bürgerinnen und Bürger informatische Kompetenzen. Diese werden ausgeprägt, indem – durch die aktive, gestaltende Auseinandersetzung mit informatischer Modellierung – erkannt, ja erfahren wird, wie selbst entwickelte Algorithmen hinter der Oberfläche mit Daten, in Form selbst aufgebauter Datenstrukturen, arbeiten.
Die Fachwissenschaft Informatik stellt langlebige Ideen und Methoden – speziell informatische Modellierung – bereit, um Probleme zielgerichtet und konstruktiv zu bearbeiten und zu lösen – aber auch die prinzipiellen Grenzen von Lösungen sind unhintergehbare Forschungsergebnisse. Überdauernde Grundlagen der Informatik sind Daten und Algorithmen – sowie ihre Strukturierung. Diese stellen die fachlichen Ingredienzien der Digitalisierung dar. Aus der Informatik stammende Ideen und Methoden werden auch außerhalb dieser herangezogen: Schülerinnen und Schüler gestalten Problemlösungen auch, indem sie informatische Modellierungen zum Ablauf bringen. Das bedeutet: Informatische Kompetenzen sind für eigenständige Problembewältigung und Situationsbewertung in einem Alltag notwendig, der zunehmend von Informatik durchdrungen ist. Darüber hinaus sind sie aber anwendbar und erweitern die Methoden und Ideen anderer Wissenschaften – etwa die sogenannten „Bindestrichinformatiken“: Geoinformatik, Bioinformatik, Wirtschaftsinformatik … .
Um den Schülerinnen und Schülern zu ermöglichen, informatikbezogene Kompetenzen aufzubauen, benötigt jede Schule – auch Grundschulen – fachlich und fachdidaktisch qualifizierte Informatiklehrkräfte. Nur verpflichtender, durchgängiger Unterricht im Schulfach Informatik für alle Schülerinnen und Schüler über die gesamte Bildungskette – von der 1. Klasse der Grundschule bis zum mittleren Bildungsabschluss, ja bis zum Abitur – ermöglicht, dass die Bürgerinnen und Bürger der kommenden Generation geschlechts- und bildungsschichtunabhängig Zugang zur informatischen Mündigkeit erlangen. Informatik darf nicht außerschulischen Akteuren überlassen werden. Dann bleibt die notwendige informatische Aufklärung auf der Strecke.
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Gegen ein Pflichtfach Informatik argumentiert derweil Bernd Schorb, Professor für Medienpädagogik an der Universität Leipzig (em.).