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Britisch-Deutsches Gewerkschaftsforum

Im Zeichen des Brexit

Beim jährlichen Treffen des DGB mit dem britischen TUC am 21. November in Berlin ging es um die Arbeit der Zukunft und um Digitalisierung vor dem Hintergrund des drohenden Brexit.

Diskussion über den Brexit und die Rechte der Beschäftigten: (v.l.n.r.) Prof. Dr. Markus Krajewski, Reiner Hoffmann, Andreas Botsch, Frances O'Grady (Foto: Manfred Diekenbrock)

Gemeinsame Treffen des Deutschen Gewerkschaftsbunds mit dem britischen ‚Trade Union Congress‘ haben eine lange Tradition. Bereits zum 17. Mal kamen Vertreterinnen und Vertreter der beiden Gewerkschafsbünde mit Unterstützung der Friedrich-Ebert-Stiftung zusammen, um sich über Themen gemeinsamen Interesses auszutauschen. Und es zeigte sich schon beim „Dinner Speech“ am Vorabend, dass der Brexit im Mittelpunkt stand, der bei den britischen Kolleginnen und Kollegen einerseits größte Besorgnis auslöst, auf  der anderen Seite aber auch trotzigen Widerstand hervorbringt.

 

Frances O’Grady: „Regierung muss weg!“
Die TUC-Generalsekretärin Frances O’Grady sah keinen Grund, den Brexit-Deal zwischen EU und britischer Regierung zu unterstützen. Der Deal enthalte keinerlei Sicherheiten für die Beschäftigten. Regierungschefin May sei es nur um Fragen des Marktes und der Migration gegangen. O’Grady erinnerte daran, wie es zu diesem Brexit gekommen ist. Aus innenpolitischen Gründen habe Cameron die  Volksabstimmung initiiert und Nationalisten und Globalisierungs-Fundamentalisten ein Forum geboten. Die Kampagne sei auch für die Labour Partei und die Gewerkschaften schwierig gewesen, denn immer, wenn es Probleme gegeben habe, habe man die EU geschimpft. Viele Menschen hätten vergessen, was die EU dennoch den Arbeitern gebracht hatte. Zukunftsängste und die gesellschaftliche Spaltung hätten dazu geführt, dass auch etwa ein Drittel der Labour Wähler für Brexit gestimmt hätten. Jetzt müsse es darum gehen, Zeit zu gewinnen, die Regierung abzulösen und möglichst ein zweites Referendum einzuleiten. O’Grady: „Dies ist eine Schlacht für uns. Wir wissen nicht, ob wir gewinnen, aber wir werden kämpfen!“

 

Reiner Hoffmann: „Soziale Errungenschaften und Frauenrechte in Europa erhalten und ausbauen!“
In einem flammenden Plädoyer für die Stärkung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Gewerkschaften und für ein soziales Europa machte der DGB Vorsitzende Reiner Hoffmann deutlich, dass jede Form des Brexit ebenso wie die nationalistischen Bewegungen in zahlreichen Ländern Unsicherheiten für Investitionsentscheidungen der Wirtschaft und eine Verlagerung von Produktionsstätten mit sich bringen werden, deren Folgen die Beschäftigten überall in Europa zu tragen haben. Die Gewerkschaften müssten aus einer Verteidigungsposition herauskommen und Herausforderungen benennen. Dies unterstrich auch Professor Markus Krajewski von der Universität Erlangen-Nürnberg, der am Entscheidungsprozess zum Brexit beklagte, dass nur Parteien, nicht aber Gewerkschaften gefragt sind. Die Gewerkschaften müssten klare Akzente setzen und darlegen, welche Regeln sie wirklich brauchen. In der Debatte zeigten die britischen Gesprächsteilnehmer, dass sie den Brexit-Deal ablehnen und fest überzeugt sind, dass die Regierung mit dem Abkommen nicht durchkommen wird. Doch was immer auch passiere: Die Zusammenarbeit zwischen den Gewerkschaften werde ausgebaut: „Wir bleiben Freunde!“

 

Ingmar Kumpmann: „Bei der Digitalisierung geht es um Politik!“
Zugespitzt formulierte Ingmar Kumpmann, Referent Industrie- und Dienstleistungspolitik beim  DGB, was auch im Beitrag von Kate Bell, Abteilungsleiterin für Wirtschafts- und Sozialpolitik des TUC, deutlich wurde: Solange die Digitalisierung nur nach den Spielregeln der Arbeitgeber verläuft,  drohen eine höhere Belastung am Arbeitsplatz, die Deregulierung von Arbeitszeiten sowie eine verstärkte Kontrolle der Beschäftigten. Änderungen im ökonomischen System (Kate Bell) und klare staatliche Regelungen im Sinne der Beschäftigten (Ingmar Kumpmann), die europaweit gelten, seien notwendig. In der Debatte sprach die britische Journalistin Helen Russell die „besorgniserregende Unterrepräsentierung von Frauen“ im Feld der Digitalisierung an. Hier müssten die Gewerkschaften besonders aufmerksam sein. Mehrere Rednerinnen und Redner hoben hervor, dass alle Fragen rund um die Arbeitszeit zum größten Problem würden und die Gewerkschaften Vereinbarungen zur Technologie, zur Heimarbeit und zu flexiblen Arbeitszeiten im Sinne der Beschäftigten aushandeln müssen. Dazu gehöre vor allem auch eine systematische Vorbereitung der Mitglieder, um erfolgreiche Verhandlungen überhaupt führen zu können. In der Schlussrunde des Treffens ging es darum, wie die Gewerkschaften selbst die Digitalisierung nutzen. Clare Coatman, beim TUC für junge Mitglieder zuständig, berichtete von einem Projekt für jungen Arbeiterinnen und Arbeiter, in dem digitale Plattformen offensiv für Aktionen der Gewerkschaften genutzt werden. Dazu gehören auch aktive Foren, Rückmeldungsmöglichkeiten und schnelle Kurznachrichten. Ob und wie hier nicht-kommerzielle Plattformen genutzt werden könnten, bleibt eine offene Frage.