Zum Inhalt springen

Im Kampf gegen das eigene Volk

Seit der Wahl von Rodrigo Duterte zum Präsidenten machen die Philippinen international traurige Schlagzeilen – vor allem wegen massenhafter Hinrichtungen von vermeintlichen Drogenabhängigen.

Protest gegen die Drogenpolitik des philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte in der Hauptstadt Manila. Foto: dpa

Die offizielle Statistik spricht von rund 4.000 in Polizeioperationen getöteten „Drogendealern“, Menschenrechtsorganisationen gehen von bis zu 20.000 Todesopfern aus. Zusätzlich wird der Inselstaat von Krisen geplagt, die weniger im Fokus der Medien sind – aber nicht weniger grausame Folgen haben. Eine große Herausforderung ist der sogenannte Islamische Staat (IS). Seit dieser aus Syrien und dem Irak vertrieben wird, ziehen viele seiner Kämpfer auf die Philippinen. So erlitten die Menschen in der Stadt Marawi auf der im Süden gelegenen Insel Mindanao, wo der IS Ausbildungslager betreibt, jüngst schwere Schäden. Fünf Monate hielten IS-Anhänger Marawi besetzt; erst im Oktober 2017 kam die 200.000-Einwohner-Stadt wieder unter Regierungskontrolle. Über 1.000 Menschen starben durch den Häuserkampf um Marawi.

Nun nutzt Duterte diesen Konflikt aus, um andere Probleme loszuwerden. Obwohl die Kämpfe in einem kleinen Teil Mindanaos stattfanden, erklärte der Präsident den Ausnahmezustand für die ganze Insel. Ziel sei, den Widerstand der dort lebenden indigenen Lumad-Völker gegen internationale Erdbau-Firmen gleich mit zu befrieden, klagen Menschenrechtler, die Opposition und die Lumads.

In den vergangenen Jahren errichteten lokale und internationale Nichtregierungsorganisationen in der Region der Lumads zunehmend Schulen. Dort lernten die Kinder lesen und schreiben, erklärt Raymond Basilio, Generalsekretär der Alliance of Concerned Teachers (ACT), der größten Lehrkräftegewerkschaft der Philippinen. Das habe die indigenen Menschen in die Lage versetzt, die Verträge mit den internationalen Firmen zu verstehen, die sie unterschreiben mussten. Seitdem regt sich massiver Widerstand gegen diese Firmen sowie für den Schutz der Bodenschätze und der Natur.

Vor allem gut ausgebildete Lehrerinnen zieht es etwa nach Australien oder Singapur, um dort für ein wesentlich höheres Gehalt als Hausmädchen zu arbeiten.

Um diesen Widerstand zu brechen, geht Duterte mit Gewalt vor. Im Oktober 2017 erklärte er Lehrkräfte, politische Führer der Lumads und Menschenrechtler zu Terroristen. Er werde die Schulen bombardieren lassen, kündigte er an. Obwohl er wenige Tage später zurückruderte, betont die Opposition, dass bereits vor seiner Erklärung Bomben auf Schulen gefallen und Lehrkräfte getötet worden seien. 81 Schulen seien demnach nicht mehr nutzbar. Paramilitärs, unter Kontrolle der Militärs, terrorisieren Aktivisten und die Bevölkerung. ACT-Lehrkräfte stehen in dem Konflikt an vorderster Stelle und beklagen bereits tote Kolleginnen und Kollegen. Die internationale Bildungsgewerkschaft Education International warnt vor einer humanitären Katastrophe.

Wirtschaftlich geht es dem Land offiziell bestens. Für 2018 wird ein Wachstum von 6,7 Prozent erwartet. Doch die Inflation steigt und die Verteilung ist extrem ungerecht. Laut der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) leben 21,6 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner unter der Armutsgrenze; weitere 10,8 Prozent verdienen täglich weniger als 1,90 US-Dollar. Auch im Bildungssektor ist die Auswanderung weit verbreitet. Vor allem gut ausgebildete Lehrerinnen zieht es etwa nach Australien oder Singapur, um dort für ein wesentlich höheres Gehalt als Hausmädchen zu arbeiten.

Diese Entwicklungen sorgen für wachsende politische Spannungen. Duterte wirft mehreren oppositionellen Gruppen vor, den Terror zu unterstützen; die Mitglieder der Opposition hingegen schließen sich zunehmend gegen den Präsidenten zusammen. Der antwortet mit noch mehr Autoritarismus. Dabei befürchtet er offensichtlich auch den Verlust seiner Macht. Ein Zeichen dafür ist sein Unwillen, die Menschenrechtslage international bewerten zu lassen. Mitte März zog er die Philippinen vom Internationalen Strafgerichtshof zurück. Dabei hat Duterte erst ein Drittel seiner Amtszeit hinter sich. Ob er bis zu den Wahlen in 2022 durchhalten kann, steht in den Sternen.