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Serie: Traumjob oder Trauma?

„Ich bin einfach ins kalte Wasser gesprungen“

Aktive und angehende Lehrkräfte berichten, was sie an ihrem Beruf lieben, mit welchen Schwierigkeiten sie konfrontiert sind, was sie trotz alledem im Beruf hält – oder eben auch dazu gebracht hat, das Handtuch zu werfen.

Um gut arbeiten und ihrer pädagogischen Profession gerecht werden zu können, brauchen Lehrkräfte gute Rahmenbedingungen. (Foto: IMAGO/Funke Foto Services)

Hat noch jemand eine Frage?“ – „Ja, wieso klebt Kleber eigentlich nicht in der Tube?“ Die Frage hat nichts mit dem Thema Steinzeit zu tun, über das wir gerade im Unterricht sprechen. Abgesehen davon ist es eine spannende Frage. Seit dem Quereinstieg in den Lehrkräfteberuf werden mir öfter Fragen gestellt, die mein Erwachsenenhirn kurz rattern lassen, und das macht Spaß.

Es ist eine tolle Aufgabe, die Kinder beim Lernen zu begleiten.

Grundschulkinder sagen ständig witzige, kluge, unverstellte Dinge. Sie halten sich nicht daran, was wir unter gesellschaftlichen Normen verstehen und für überaus durchdacht halten. Es ist eine tolle Aufgabe, die Kinder beim Lernen zu begleiten. Warum hab ich mir das so lange vorenthalten? Meine Cousine, selbst Lehrerin, sagte dazu nur trocken: „Ich finde, Lehrerin zu sein, passt total zu dir. War dir vorher einfach zu spießig.“

Vielleicht hab ich es mir auch nicht zugetraut und musste erst zwei Studiengänge beenden, bis ich gemerkt habe, dass mir was fehlt. Zunächst habe ich eine Weiterbildung in der politischen Bildung absolviert, danach Demokratie-Workshops geleitet. Damit war ich dann auch an Schulen und habe sofort gespürt, wie bereichernd das ist. Auf die Stellenausschreibung bin ich zufällig gestoßen. Ich bin einfach ins kalte Wasser gesprungen. Und sagen wir es mal so, ich paddele immer noch, mit Schwimmen hat das noch nichts zu tun. Aber ich bleibe über Wasser. Jeden Fortschritt, den ich mache, bemerke ich sofort. Manchmal kann ich gar nicht glauben, wie gut eine Stunde geklappt hat.

Matsch statt Elfenbeinturm

Natürlich läuft nicht alles gut. Das erste halbe Jahr war ich so viel krank wie noch nie. Ich hatte keine Ahnung, wie ich eine ganze Klasse handeln soll oder wie ich mich abgrenze. So viele kleine Leben, an denen so viel dranhängt. Die Schule liegt in einem Teil der Stadt, dem man ansieht, dass wenig Geld in die Gestaltung kinderfreundlicher Räume investiert wurde. Zusätzlich die ganze Scheiße, die sie von unserer Gesellschaft abkriegen: Rassismus, Klassismus, alles. Wie soll man da drauf sein als Kind. Mit den Problemen, mit denen ich in der Schule konfrontiert werde, hatte ich mich vorher nur theoretisch auseinandergesetzt. Aus dem Elfenbeinturm kann man laut lästern, aber stell dich mal in den Matsch und pack an. Ich möchte, dass die Kinder sich gesehen fühlen, dass sie gern in die Schule gehen. Sie sollen eine realistische Chance bekommen, aus ihrem Leben das zu machen, was sie sich wünschen.

Einmal waren wir auf einem Ausflug im Bundeskanzleramt. Wir stiegen „Unter den Linden“ aus. „Mein Gott, wie schön!“ – „Hier sieht es aus wie in der Zukunft!“ – „Und Neukölln ist der Mülleimer Deutschlands.“ Wir waren noch in der U-Bahn-Station, als die Kinder das riefen. Nach dem Besuch waren wir noch in einem Park. Dort war ein Straßenmusiker. Die Kinder haben ihn mit Fragen gelöchert, ihm all ihr Taschengeld gegeben. Irgendwann meinte er: „Es reicht jetzt, die Kasse ist geschlossen. Ich kann nichts mehr annehmen.“ Als ich ihnen später sagte, wie schön ich das fand, meinte ein Kind nur trocken: „Geld ist nicht alles.“ Geballte Weisheit.

Wir Quereinsteigenden bringen mit unserer anderen Erfahrung auch ein bisschen Frischluft in die Schulen.

Ich denke, dass wir Quereinsteigenden eine wichtige Rolle an den Schulen spielen. Ich bin extrem glücklich und dankbar, dass ich ein so unfassbar hilfsbereites und tolles Kollegium habe, das mich und die anderen Quereinsteigenden so offen aufnimmt und unterstützt. Ich fühle mich richtig, wo ich jetzt bin, meine Arbeit wird wertgeschätzt. Wir Quereinsteigenden bringen mit unserer anderen Erfahrung auch ein bisschen Frischluft in die Schulen. Jetzt, da ich weiß, wie viel Spaß es macht, Lehrerin zu sein, möchte ich alle ermutigen, diesen Schritt zu gehen.

Natürlich bekomme ich die Missstände in unserem Bildungssystem auch mit. Dass Lehrkräfte von der Politik alleingelassen werden, führt dazu, dass der Druck, der auf ihnen lastet, immer größer wird. Manche leiten ihn nach außen ab, andere nach innen. Beides ist untragbar und muss sich ändern. Ich persönlich habe die Supervision an unserer Schule wieder angeleiert und freue mich über jeden kollegialen Austausch, den ich habe. Im ehrlichen Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen wurde bisher jede Hürde überwunden.