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Holocaust: Bildungsgewerkschaften gedenken in Auschwitz

Zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar haben Bildungsgewerkschaften aus Deutschland, Österreich, Polen und Israel in Krakau und Auschwitz der Shoa gedacht und über Holocaust im Unterricht gesprochen.

Über die Aktualität von Gedenkstättenfahrten

Vom 25.01-28.01.2016 fand in Krakau und Auschwitz zum fünften Mal ein internationaler Lehrer/innenaustausch und eine gemeinsame Gedenkveranstaltung von Bildungsgewerkschaften statt, welcher es jungen Aktiven im Bildungssystem ermöglichen sollte, sich mit Junglehrer/innen aus Israel, Polen, Österreich und Deutschland über „How to teach the Holocaust“ auszutauschen. Zum ersten Mal nahmen auch Kolleginnen aus Großbritannien und Lettland teil. Für die GEW waren die Vorsitzende Marlis Tepe und sieben weitere, überwiegend junge Kolleginnen und Kollegen nach Polen gereist. Die Konferenz in Krakau, die von der Friedrich-Ebert-Stiftung unterstützt wurde, hatte nicht nur zum Ziel, über verschiedene Arten der Erinnerungs- und der Gedenkkultur zu diskutieren, sondern auch die Lehren aus der Shoah auf aktuelle globale Krisen zu übertragen und hieraus pädagogische Handlungen für den Unterricht abzuleiten.

Shoah und Wertevermittlung zusammen denken

Avraham Rocheli aus Israel, einer der Leiter des Deutsch-Israelischen Gewerkschaftsseminars, betont: "Der Klassenraum ist der Raum, um gegen Rassismus und für Demokratie anhand von Dilemmatasituationen zu unterrichten. Lehrer/innen tragen dazu bei, dass ihre Schüler/innen zu Bürger/innen erzogen werden." Demnach ist es von herausragender Bedeutung, dass Schüler/innen im schulischen Kontext eine Wertevermittlung erfahren, die es ihnen ermöglicht, an politischen Prozessen zu partizipieren und für eine offene, freie und tolerante Gesellschaft einzustehen. Diese Werte können aber keine beliebigen Werte sein zwischen denen man wählen kann (z.B.: ich bin für oder gegen Antisemitismus/Rassismus/Intoleranz…), und sie müssen sich im schulischen Miteinander wiederfinden lassen.

Die Auseinandersetzung mit der Shoah kann hierbei helfen, denn sie zeigt auf, was passieren kann, wenn die eigenen Werte zu Hüllen ihrer selbst verkommen. Es empfiehlt sich, sich nicht nur das Ergebnis der Shoah vor Augen zu halten (6 Millionen ermordete Jüdinnen und Juden), sondern auch den gesellschaftspolitischen Kontext jener Zeit, der erst zu dieser größten menschlichen Katastrophe führen konnte. Denn die Shoa stand nicht am Beginn der Verfolgung, sondern an ihrem Ende.

Welche Lehren können wir ziehen?

Die Losung "Dass Auschwitz nie wieder sei!" lässt sich nur umsetzen, wenn uns bewusst ist, dass u.a. eine politische Kultur des Mitläufer/innentums eine solche Katastrophe erst möglich gemacht hat. Eine solche Kultur ist auch im Jahre 2016 wieder spürbar. Dies fällt insbesondere auf, wenn man sich die aktuelle, zum Teil fremdenfeindliche Berichterstattung in den Medien, die Forderung der Politiker/innen nach Einschränkung bis Abschaffung des Asylrechts und die immer umfangreichere Ausmaße annehmende Artikulation von grotesken Forderungen (erneute Eröffnung von Konzentrationslagern), die fälschlicherweise von vielen als freie Meinungsäußerung verstanden wird, im Internet betrachtet. Wer die Lehren aus dem Holocaust verstanden hat, kann solchen Forderungen nicht zustimmen und nur seine Stimme lautstark dagegen erheben.

Welche Handlungen lassen sich ableiten?

Pädagogen/innen sind mit dafür verantwortlich, dass Schüler/innen aus der Vergangenheit den Schluss ableiten, dass es sich tagtäglich lohnt für eine offene und tolerante Gesellschaft zu kämpfen. Gespräche mit Zeitzeug/innen oder deren Verwandten oder die Besichtigung von Konzentrationslagern sind hierbei hilfreich. Fahrten in ehemalige Konzentrationslager sollten jedoch gut vorbereitet werden: das Entstehen von Traumata kann so vermieden werden. Eine gute Vorinformation verschafft allen Teilnehmenden Sicherheit und hilft dabei, das Gesehene und Gehörte besser zu verarbeiten und einzuordnen. Jedoch sollte sie nicht nur gut vorbereitet, sondern auch ausreichend nachbereitet werden, damit die Eindrücke hinreichend verarbeitet werden können.

Gerade in diesen so schwierigen politischen Zeiten sollten sich Pädagog/innen diesem Thema vermehrt wieder annehmen. Die Shoah kann nicht nur im Geschichts-, sondern auch im Kunst-, Sprach-, Religions-, Philosophie- und Musikunterricht vermittelt werden. Hierfür existieren genug didaktisch gut aufbereitete Materialen. Auch Marlis Tepe, die nun zum dritten Mal eine GEW-Delegation beim gemeinsamen Holocaust-Gedenken internationaler Bildungsgewerkschaften in Krakau und Auschwitz geleitet hat, plädiert für einen verstärkten Einsatz der Lehrkräfte auf diesem Gebiet: "Insbesondere unsere Geschichte verpflichtet uns zur Humanität. Wir stellen uns der Aufgabe, jede Form von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz zu ächten und zu bekämpfen."

Avraham Rocheli leitet seit vielen Jahren die deutsch-israelischen Gewerkschaftsseminare von GEW und Histadrut Hamorim (Foto: Katharina Kaminski)