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Coronapandemie

Hochschulen am Limit

Die Corona-Pandemie hat an den Hochschulen tiefe Spuren hinterlassen, wie eine aktuelle Studie der GEW zeigt.

Je länger die Hochschulen im Corona-Modus waren, desto tiefgreifender die Folgen vor allem für die Studierenden. (Foto: IMAGO/photothek)

Erschwerte Arbeitsbedingungen, wegbrechende Sozialkontakte, Stress, Geldnöte, unsichere Zukunftsaussichten: Die Corona-Pandemie hat Studierenden, Lehrenden und Forschenden sehr viel abverlangt. Das gerade gestartete Sommersemester 2022 findet nun weitgehend wieder in Präsenz statt. Kehrt damit an den Hochschulen die Normalität zurück?

Ganz so einfach ist es nicht. Denn die vier pandemischen Semester haben tiefe Spuren hinterlassen, die nicht einfach über Nacht verschwinden werden. Die Hochschulen schleppen quasi einen schweren Rucksack an Krisenerfahrungen und Belastungsfolgen mit sich, den sie ohne aktive Unterstützung durch die Politik kaum bewältigen können. „Nach vier Corona-Semestern“, sagt Andreas Keller, GEW-Vorstandsmitglied Hochschule und Forschung, „sind alle am Limit.“

Was das bedeutet, zeigt nun eine aktuelle Studie, die die Max-Traeger-Stiftung der GEW gefördert hat. Die Sozialwissenschaftlerin Hanna Haag und ihr Kollege Daniel Kubiak führten dafür Gruppendiskussionen und Einzelinterviews mit Studierenden und Lehrenden. Anders als bisherige Untersuchungen, die sich nur auf den Corona-Beginn oder jeweils ein Semester konzentrierten, gab es drei Befragungsrunden zwischen Frühjahr 2020 und Herbst 2021. Die Studie „Hochschule in krisenhaften Zeiten“ schließt damit eine Lücke und liefert einen umfassenden Überblick – mit sehr relevanten Erkenntnissen.

Handlungsempfehlungen

Wichtigstes Ergebnis: Je länger die Hochschulen im Corona-Modus waren, desto tiefgreifender waren die Folgen und desto mehr traten Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen hervor. Etwa bei der Digitalisierung der Lehre. Aus Sicht der Hochschulverwaltung lief es relativ gut. Die Lehrenden arrangierten sich und lobten die nun mögliche Zeitersparnis. Die Studierenden hingegen wurden mit jedem Semester unzufriedener und erschöpfter. Viele hatten das Gefühl, von der Politik und auch von ihren Hochschulen alleingelassen zu werden. Die Studie spricht von einer „Abwärtsspirale“.

Bereits bestehende Missstände und Strukturprobleme wurden durch Corona verstärkt. Etwa die fehlende Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Studium; die fehlenden langfristigen Strategien beim Einsatz digitaler Medien; der geringe Stellenwert der Lehre an den Universitäten; der Leistungsdruck insbesondere auf den akademischen Mittelbau, der sich mit Zeitverträgen durchschlagen muss; unsichere Karrierewege, vor allem für Frauen; oder auch die teils massiven finanziellen Probleme der Studierenden. „Die Studie“, sagt Keller, „zeigt eindrucksvoll, wie Corona die prekäre Lage verschärft, mit der Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schon vor der Pandemie zu kämpfen hatten.“

Ein Gegensteuern wäre nötig und auch möglich. Die Studie nennt ein ganzes Bündel Handlungsempfehlungen. Diese reichen von der stärkeren Berücksichtigung individueller Bedürfnisse – etwa wenn es um die Frage geht, wie Präsenzarbeit und Homeoffice künftig ausgestaltet werden sollen – bis hin zu der Forderung nach einem schlüssigen und durchdachten Konzept, wie und wo man digitale Tools sinnvoll einsetzt. Wichtig wäre auch eine bessere Perspektive für Studierende und Mittelbau. „Die Bundesregierung“, fordert Keller, „muss jetzt eine beherzte Reform des BAföG und des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes anpacken, die sicherstellt, dass Verträge und Förderungen in Krisenzeiten unbürokratisch verlängert werden können und müssen.“