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Peru

Hinterbänkler im Bildungsranking Lateinamerikas

Am Sonntag spielt die deutsche Nationalmannschaft gegen Peru. Das Bildungssystem Perus zählt zu den Hinterbänklern im Bildungsranking. Das hat neben knappen Ressourcen auch mit der fehlenden Wertschätzung der Lehrkräfte zu tun.

Ein Klassenraum der Ältern, die im nächsten Jahr Abitur machen an der Schule Fe y Alegría No. 21 in Cusco. (Foto: Knut Henkel)

Am Haupteingang der katholischen Universität Perus (PUCP) stehen die Studenten Schlange, um auf den weitläufigen Campus in Lima zu kommen. Es ist kurz vor acht Uhr morgens, die ersten Vorlesungen stehen an und bei den Wartenden an den Sicherheitsschleusen herrscht gute Stimmung. Wer hier studieren kann, hat ausgesorgt, denn die Universität ist die beste Perus. Doch Salomón Lerner, ehemaliger Rektor der PUCP und Präsident des Instituts für Demokratie und Menschenrechte, ist gar nicht so glücklich mit dem internationalen Standing der PUCP und den Leistungen der Studenten.

„Peru wird zu wenig geforscht und wir haben das Problem, dass wir viele Studenten erst fit für das Studium machen müssen.“ (Salomón Lerner)

„Wir sind im internationalen Ranking abgefallen und haben auch in Lateinamerika an Boden verloren. In Peru wird zu wenig geforscht und wir haben das Problem, dass wir viele Studenten erst fit für das Studium machen müssen“, stöhnt Lerner. Defizite bei den Grundlagen, aber auch bei den Kenntnissen der eigenen Geschichte moniert der ehemalige Leiter der Wahrheitskommission. Die legte ihren Bericht über die Menschenrechtsverletzungen des blutigen Bürgerkrieges (1980-2000) zwischen Regierung und den beiden linken Guerillaorganisationen des Leuchtenden Pfades und der MRTA (Moviemiento Revolucionario Túpac Amaru) im August 2003 vor. Doch darüber, aber auch über die extrem ungleiche Verteilung des Reichtums innerhalb der peruanischen Gesellschaft wissen viele Studenten kaum etwas, wenn sie auf den Campus der PUCP kommen, kritisiert Lerner. „Eine Folge der miesen Ausstattung und Ausbildung an den öffentlichen Schulen“.

„Dass unsere Lehrer extrem mies bezahlt werden, wird unter den Teppich gekehrt.“ (Salomón Lerner)

Das belegen auch die offiziellen Zahlen. Anders als in den Nachbarländern Bolivien oder Brasilien, wo 6,5 Prozent beziehungsweise 6,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in die Bildung investiert werden, sind es in Peru nur 3,7 Prozent. Das ist ein zentraler Grund, weshalb Peru bei den regionalen Vergleichstests des Bildungsniveaus der Schülerinnen und Schüler seit Jahren den vorletzten Platz vor Haiti einnimmt. Zum schlechten Standing des Bildungssystems hat aber auch ein anderer Faktor maßgeblich beigetragen – die Stigmatisierung der Lehrerinnen und Lehrer, sagt Lerner. „Wer Lehrer wird, konnte in anderen Studiengängen nicht landen, heißt es oft in Peru. Dass unsere Lehrer extrem mies bezahlt werden, wird dabei genauso unter den Teppich gekehrt wie die Tatsache, dass zu wenig in ihre Ausbildung investiert wird und dass sie als faul und rebellisch gelten“, kritisiert Lerner.

„Unter Alberto Fujimori, aber auch unter Alan García ist viel kaputt gegangen.“ (Eleonora Morales Azurín)

Dafür ist die Politik mitverantwortlich, so die Leiterin der Schule Fe y Alegría 21 in Perus Touristenmetropole Cusco, Eleonora Morales Azurín. „Unter Alberto Fujimori, aber auch unter Alan García ist viel kaputt gegangen. Man hat versucht die gewerkschaftlichen Strukturen zu zerschlagen“, so die 55-jährige Rektorin von Fe y Alegría 21. Beiden Ex-Präsidenten war die starke Lehrergewerkschaft ein Dorn im Auge. Dem einen, Fujimori (1990-200), waren die Lehrer zu links, der andere, García (1985-1990 und 2006-211) nahm sie als Konkurrenz zu seiner sozialdemokratischen Partei, der Apra, war. Für das Ansehen der Lehrer im Land war das ein Desaster und hat zur fehlenden Motivation in den Lehrerzimmern genauso beigetragen wie die niedrigen Löhne. 2600 Soles, rund 670 Euro, verdient der Grundschullehrer Javier Castillo López von der Schule Fe y Alegría in Cusco nach mehr als zwanzig Berufsjahren. Neueinsteiger erhalten mit 1400 Soles (365 Euro) zwar deutlich mehr als den Mindestlohn von 850.- Soles, aber das fünfjährige Studium wird nicht gerade honoriert.

Ein Grund, weshalb relativ viele Lehrer in Peru nach dem Unterricht einem zweiten Job nachgehen. Allerdings gibt es auch Schulen, wo es besser läuft. Zu denen gehören die 81 Bildungseinrichtungen von Fe y Alegría, einem kirchlichen Bildungsträger, der nicht nur in Peru, sondern in vielen Ländern Lateinamerikas aktiv ist und wo nach modernen pädagogischen Konzepten, aber mit den gleichen Etat wie an staatlichen Schulen gearbeitet wird. Flache Hierarchien im Lehrerzimmer und regelmäßige Fortbildung gehören zum Konzept, erklärt Eleonora Morales Azurín.

Das sorgt dafür, dass die Schüler in den Vergleichstest zwischen den Schulen deutlich besser abschneiden. Das schätzen Bildungsexperten wie Lerner und hoffen auf Einsicht bei den Verantwortlichen im Bildungsministerium. Dort hat es in den letzten Monaten nach der Vereidigung des neuen Präsidenten Martín Vizcarra ein großes Stühlerücken gegeben. Eventuell nicht ohne Grund, denn der neue Mann im Präsidentenpalast hat sich auf regionaler Ebene bereits einmal erfolgreich für bessere Strukturen im Bildungssektor engagiert. Als Staatschef könnte er es nun noch einmal machen.