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Queer in der Bildung

Here & Queer

Die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt ist ein unveräußerliches Menschenrecht. Eine Demokratie ist nur so gut, wie sie ihre Minderheiten schützt. Dafür müssen wir alle eintreten, jeden Tag neu.

Frauke Gützkow, Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands, AB Frauen-, Gleichstellungs-, Geschlechterpolitik (Foto: Alice End)

Es scheint Lichtjahre entfernt: Eine Nacht im Juni 1969. Sirenen heulen, Polizisten rennen in eine kleine Bar in der Christopher Street, New York. Hier passiert etwas, das es noch nie gegeben hat: Widerstand! Lesben, Schwule, Dragqueens und Transsexuelle lehnen sich auf gegen eine der willkürlichen Razzien, die in dieser Zeit an der Tagesordnung sind. Aus dem Widerstand wird ein Straßenprotest Tausender. Gegen Polizeigewalt, Verfolgung, Diskriminierung in der Gesellschaft. Tagelang.

Bis heute erinnern jeden Sommer weltweit bunte Straßendemonstrationen, die Pride Parades oder Christopher Street Days (CSD) an diesen Aufstand, der so vieles verändert hat. Politiker:innen aller Parteien zeigen sich heutzutage auf den Zügen: Schaut, natürlich sind wir für Vielfalt. Queer zu sein, scheint in der Gesellschaft endgültig angekommen. Here & Queer heißt selbstbewusst das Motto des Frankfurter CSD.

Und warum ist eine vorurteilsbewusste Pädagogik, in der sich Lehrende mit ihren eigenen Vorurteilen auseinandersetzen, immer noch nicht Standard, zumal es statistisch in jeder Klasse mindestens eine queere Person gibt?

Alles gut also? Mitnichten. Denn obwohl viel geschehen ist – von der Abschaffung des Paragrafen 175 bis zur Ehe für alle –, obwohl die Gesellschaft ihre Offenheit für queeres Leben gern betont, schimmern unter der Oberfläche alte Muster durch. Wie kann es sein, dass sich eine lesbische Lehrerin in einer hessischen Kleinstadt von einer Mutter anhören muss, dass der Sohn ihretwegen schwul zu werden drohe? Warum wird nicht mehr getan, um transsexuellen Kindern die Angst in der Schule zu nehmen? Und warum ist eine vorurteilsbewusste Pädagogik, in der sich Lehrende mit ihren eigenen Vorurteilen auseinandersetzen, immer noch nicht Standard, zumal es statistisch in jeder Klasse mindestens eine queere Person gibt?

Die KMK versprach zu handeln. Es wird Zeit, dass sie ihre Ergebnisse endlich auf den Tisch legt. 

Immerhin: Bundesweit gibt es Fortbildungen, die Lehrkräfte sensibilisieren. Alle Bundesländer schreiben in den Bildungsplänen oder Richtlinien vor, geschlechtliche Vielfalt zum Unterrichtsthema zu machen. Doch die Pläne sind nicht alle gleich gut. Es braucht mehr: mehr Fortbildungen, bessere Richtlinien, mehr Beschwerdestellen, in denen sich Betroffene bei Diskriminierungen Rat holen können. Und es braucht qualifizierte Personalräte, um die Kolleg:innen zu beraten. Dafür setzt sich die GEW ein. 2020 hat die damalige GEW-Vorsitzende Marlis Tepe die Kultusministerkonferenz (KMK) aufgefordert, detaillierte Handlungsempfehlungen für queere Bildung zu entwickeln, wie es sie für andere Themen wie Inklusion auch gibt. Die KMK versprach zu handeln. Es wird Zeit, dass sie ihre Ergebnisse endlich auf den Tisch legt.