Bundestagswahl 2025
„Hanna“ wartet weiter auf Entfristung
Obwohl die scheidende Bundesregierung zu Amtsantritt 2021 erklärte, das Befristungsunwesen an den Hochschulen einzudämmen, hat sich die Situation nicht verbessert. Eine Reform des WissZeitVG steht nach wie vor aus.
Als der Koalitionsvertrag der Ampelregierung Ende 2021 vorgestellt wurde, konnte sich die GEW mit Blick auf ihre hochschul- und wissenschaftspolitischen Forderungen auf die Schultern klopfen. „Wir haben Spuren hinterlassen“, sagte Andreas Keller, GEW-Vorstandsmitglied Hochschule und Forschung, damals im Interview mit der „taz“.
Als Beleg ließen sich viele Pläne der Koalition aufzählen: Reform des WissZeitVG, Planbarkeit und Verbindlichkeit in der Postdoc-Phase, Bindung der Laufzeit von Promotionsstellen an Projektlaufzeiten, verbindliche Ausgestaltung der familien- und behindertenpolitischen Komponente – und so weiter. Der GEW-Slogan „Dauerstellen für Daueraufgaben“, der für Lehre, Forschung und Wissenschaftsmanagement gilt, wurde sogar wörtlich übernommen.
Vorausgegangen war eine jahrelange Kampagne, an der sich auch die GEW beteiligte. Für Schlagzeilen sorgte 2021 der Hashtag #IchBinHanna auf Twitter. Der Hashtag wurde von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ins Leben gerufen, um gegen die Befristungsregelungen im WissZeitVG zu protestieren. Auslöser des Protests war ein Imagevideo des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, in dem eine fiktive Person namens Hanna die Vorteile der geltenden Regelung erklärte.
„Das geht nicht nur auf Kosten der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sondern schadet auch der Kontinuität und damit der Qualität von Lehre und Forschung.“ (Andreas Keller)
Anfang 2025 ist die Situation an vielen Hochschulen und Forschungseinrichtungen indes unverändert: Es gibt zunehmend Zeitverträge mit teils sehr kurzen Laufzeiten sowie lange und komplizierte Karrierewege. „Das geht nicht nur auf Kosten der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sondern schadet auch der Kontinuität und damit der Qualität von Lehre und Forschung“, kritisiert Keller.
Die frühere Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) legte zwar noch einen Gesetzentwurf für ein neues WissZeitVG vor, im Oktober 2024 starteten die parlamentarischen Beratungen. Nach dem Bruch der Ampelkoalition am 6. November war jedoch schnell klar, dass mit einer Verabschiedung der Reform vorerst nicht mehr zu rechnen ist. Der Entwurf brachte nach Ansicht der GEW ohnehin nur minimale Verbesserungen, vage Soll-Bestimmungen statt verbindlicher Mindestvertragslaufzeiten.
Tarifsperre muss fallen
Die Gewerkschaft verlangt daher weiterhin, das Sonderbefristungsrecht für die Wissenschaft zu novellieren. Sie will unter anderem durchsetzen, dass Befristungen nur zur eigenen Qualifizierung wie der Promotion möglich sind, und es zudem Mindestlaufzeiten gibt. In der Postdoc-Phase soll eine Befristung nur mit verbindlicher Anschlusszusage zulässig sein. Wer Kinder betreut, muss Anspruch auf eine Vertragsverlängerung haben. Die Tarifsperre soll fallen, die Arbeitgebern und Gewerkschaften verbietet, vom Gesetz abweichende Regelungen auszuhandeln.
Die Finanzierung der Hochschulen und Forschungseinrichtungen sollte nach Ansicht der GEW zudem mit Auflagen versehen werden – etwa einem verantwortungsbewussten Umgang mit Befristung sowie einer Finanzierung von Dauerstellen auch aus Drittmitteln und Projektgeldern.
Das WissZeitVG trat 2007 in Kraft und wurde bereits 2016 und 2020 novelliert. Die GEW formulierte ihre Forderungen 2022 in einem Acht-Punkte-Programm und einem Gesetzentwurf für ein Wissenschaftsentfristungsgesetz. 2024 veröffentlichte sie eine Stellungnahme zum Entwurf der Bundesregierung.