Tarifrunde Bund und Kommunen 2025
Gute Tarifabschlüsse fördern wirtschaftliche Stabilität
Die Gewerkschaften gefährdeten mit ihren Forderungen die Handlungsfähigkeit der Kommunen, sagt Karin Welge, Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA). Einem Faktencheck hält diese Behauptung nicht stand.
Unbestritten leiden viele Kommunen trotz insgesamt weiter steigender Steuereinnahmen unter finanziellen Engpässen. Schuld daran sind aber nicht überzogene Tarifforderungen, sondern ist eine verfehlte Steuer- und Finanzpolitik:
- Einerseits sollen durch Steuergeschenke an Unternehmen (höhere Abschreibungen, erweiterte Verlustvorträge) Investitionen stimuliert und so die Konjunktur angekurbelt werden.
- Andererseits werden dadurch Löcher in die kommunalen Haushalte gerissen, die deshalb ihre Investitionen einschränken und die Konjunktur abwürgen.
Die Politik in Bund und Ländern kettet sich weiterhin an eine selbstverordnete Schuldenbremse mit der Begründung, man dürfe nachfolgenden Generationen keinen Schuldenberg hinterlassen. Dabei sind sich nationale wie internationale Fachleute einig: Es fehlen in Deutschland Investitionen in die öffentliche Infrastruktur sowie in Bildung und Erziehung – Investitionen, von denen insbesondere die „nachfolgenden Generationen“ profitieren und die außerdem helfen würden, die Konjunktur zu stabilisieren.
Einnahmen stärker gewachsen als Gehälter
Richtig ist, dass die öffentlichen Ausgaben noch schneller wachsen als die Einnahmen. In dieser Situation eine Tarifrunde mit dem Bund und der VKA zu führen, wird wahrlich nicht einfach. Wahr ist aber auch, dass es viele Kommunen gibt, die Finanzüberschüsse verzeichnen, und dass die kommunalen Einnahmen in den vergangenen Jahren stärker gewachsen sind als die Gehälter der Beschäftigten im öffentlichen Dienst (siehe Grafik). Das Klagelied, das die VKA-Präsidentin anstimmt, ist das übliche Ritual der Arbeitgeber vor jeder Tarifrunde.
Die Personalausgaben machen im Schnitt rund ein Viertel der kommunalen Ausgaben aus. Hinzu kommen als weitere in etwa gleich große Blöcke die Sozialausgaben und der laufende Sachaufwand. Es gibt kein plausibles Argument dafür, warum ausgerechnet die Personalausgaben nicht steigen sollten! Durch Lohnzurückhaltung lässt sich das kommunale Finanzproblem nicht lösen, sondern nur durch eine vernünftige Finanz- und Steuerpolitik.
Steuereinnahmen steigen
Für Wirbel sorgte die jüngste Steuerschätzung vom Oktober: Demnach werden die Steuereinnahmen der Gemeinden von 141,6 Milliarden Euro (2023) über 145,2 Milliarden Euro (2024) und 151,6 Milliarden Euro (2025) auf 159,3 Milliarden Euro (2026) steigen. Ein Schrumpfen ist das nicht, sondern ein Zuwachs um 12,5 Prozent in drei Jahren. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) hatten die Kommunen im Krisenjahr 2023 Rekordeinnahmen von rund 75,1 Milliarden Euro aus der Gewerbesteuer erzielt. Das war ein Plus von rund 4,9 Milliarden Euro beziehungsweise 6,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Zuwachs der Einnahmen fällt allerdings schwächer aus als zuvor angenommen. Die Ursache ist eine weiter schwächelnde Wirtschaft, die 2024 voraussichtlich das zweite Mal in Folge leicht schrumpfen wird.
Die Verhandlungen in der kommenden Runde über den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) werden für mehr als 1,5 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Kommunen und kommunalen Unternehmen sowie gut 150.000 Beschäftigte des Bundes und weitere gut 350.000 bei den Sozialversicherungsträgern geführt. Hinzu kommen rund 370.000 Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter sowie Soldatinnen und Soldaten des Bundes, auf deren Besoldung das Tarifergebnis üblicherweise übertragen wird. Zusammen also nahezu 2,5 Millionen Menschen – mehr als jede und jeder achte Erwerbstätige in Deutschland! Nicht mitgezählt sind dabei die 1,3 Millionen Menschen, die bei den Kirchen und ihren Wohlfahrtsverbänden arbeiten, sowie die vielen Beschäftigten bei den freien Trägern, die sich überwiegend an der Entgelttabelle des TVöD orientieren.
In den Tarifverhandlungen mit dem Bund und den Kommunen fordern die Gewerkschaften kräftige Gehaltserhöhungen für die Beschäftigten sowie wirksame Maßnahmen zur Entlastung:
- 8 Prozent mehr Gehalt – mindestens 350 Euro
- höhere Zuschläge für Überstunden und besondere Arbeitszeiten
- drei zusätzliche freie Tage pro Jahr
- ein „Meine-Zeit-Konto“, in dem die Beschäftigten Entgelterhöhungen und Zuschläge ansparen können, um sie zur Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit oder für zusätzliche freie Tage beziehungsweise längere Freistellungsphasen zu nutzen
- einen weiteren freien Tag pro Jahr für Mitglieder
- eine Wiederaktivierung der Regelungen zur Altersteilzeit
Damit der öffentliche Dienst attraktiv bleibt, müssen die Gehälter rauf und die Arbeitsbedingungen stimmen. Die Beschäftigten haben immer noch an der Belastung durch die hohe Inflation zu knabbern. Gerade im Sozial- und Erziehungsdienst gibt es bundesweit einen großen Fachkräftemangel. Um für junge Fachkräfte attraktiv zu sein, brauchen wir dringend wirksame Entlastung, damit die Kolleginnen und Kollegen gesund bis zur Rente arbeiten können.
Erstmals Tarifregelungen zu Arbeitszeit und Urlaub gekündigt
Die Lohnentwicklung im öffentlichen Dienst hat deshalb weitreichende Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt. Sie ist Leitwährung für die Gehälter in vielen anderen Branchen. Sie ist Investition in die öffentliche Infrastruktur, weil diese ohne Beschäftigte nicht funktioniert. Sie ist Konjunkturmotor, weil sie die Binnennachfrage stärkt. Letzteres hat auch der Arbeitskreis Steuerschätzung beim Bundesfinanzministerium festgestellt: Laut seines Berichts vom Mai 2024 dürften gerade die Lohnsteuereinnahmen im Jahr 2025 noch einmal kräftig steigen, „wenn das Instrument der steuerfreien Inflationsausgleichsprämie wegfällt und Zahlungen der Prämie durch ‚reguläre‘ Tarifsteigerungen ersetzt werden“.
Die Forderung der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes nach 8 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 350 Euro ist wirtschaftspolitisch vernünftig, finanzierbar und außerdem notwendig, um einen funktionsfähigen öffentlichen Dienst zu erhalten. Denn schon jetzt fehlen an allen Ecken und Enden die Fachkräfte. Zu attraktiven Arbeitsbedingungen gehören neben guten Löhnen auch wirksame Maßnahmen, um die Beschäftigten zu entlasten. Arbeitszeitverkürzungen wie zusätzliche freie Tage bringen Entlastung, wenn sichergestellt ist, dass es einen entsprechenden Personalaufwuchs gibt – was wiederum nur bei attraktiven Arbeitsbedingungen gelingen wird.
Um für bessere Arbeitszeiten und mehr freie Tage auch streiken zu können, haben die Gewerkschaften erstmals seit Inkrafttreten des TVöD die Tarifregelungen zu Arbeitszeit und Urlaub gekündigt. Für Gewerkschaftsmitglieder bei Bund und Kommunen fordern sie einen weiteren freien Tag. Einen solchen Zusatztag hat die IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) in der Tarifrunde für die Chemische Industrie 2024 erkämpft und damit zum ersten Mal in einem Flächentarifvertrag eine Mitgliedervorteilsregelung durchgesetzt. Dafür hat die IG BCE die Schlichtungsvereinbarung gekündigt und sich dadurch erstmals seit Jahrzehnten streikfähig gemacht. Um gute Abschlüsse zu erzielen, war das in der Chemiebranche aufgrund des hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrades über viele Jahre nicht nötig. Anders bei der Mitgliedervorteilsregelung, die nur durch eine glaubhafte Streikdrohung durchgesetzt werden konnte, weil die Arbeitgeber zunächst strikt dagegen waren. Der Widerstand bei den Arbeitgebern im öffentlichen Dienst dürfte noch erbitterter ausfallen.
Einen guten Tarifabschluss können die Gewerkschaften nur erreichen, wenn sich möglichst viele Kolleginnen und Kollegen gewerkschaftlich organisieren und aktiv in die Tarifrunde einbringen. Hierzu können und sollten alle GEW-Mitglieder im Rahmen ihrer Möglichkeiten beitragen!