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Abschluss der 10. GEW-Wissenschaftskonferenz

Gute Lehre und gute Arbeit – zwei Seiten einer Medaille

Lehre und Studium standen im Zentrum der 10. GEW-Wissenschaftskonferenz, die vergangenen Sonntag in Budenheim bei Mainz zu Ende gegangen ist. Die Konferenz hat damit vor allem die Frage nach gewerkschaftlichen Handlungsperspektiven aufgeworfen.

Foto: Charles Yunck

Die Expertinnen und Experten der von Jan-Martin Wiarda moderierten Podiumsdiskussion mit Mitgliedern des Akkreditierungsrats haben zahlreiche Strukturprobleme der Qualitätssicherung an Hochschulen benannt – etwa die übermächtige Rolle der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer. Für die Sicherung der Qualität von Studiengängen an deutschen Hochschulen ist der Akkreditierungsrat zuständig, der seit 1. Januar 2018 selbst alle Akkreditierungsentscheidungen zu treffen hat. Neben Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern gehören dem Rat mit Sitz und Stimme Vertreterinnen und Vertreter der Berufspraxis (Arbeitgeber wie Gewerkschaften), der Studierenden, der Länder, der Hochschulrektorenkonferenz sowie ausländische Experten an.

„Es war ein Fehler, Lehrerinnen und Lehrer bei der Begutachtung von Lehramtsstudiengängen nicht zu berücksichtigen.“ (Reinhold Grimm)

Die beiden Gewerkschaftsvertreter im Rat, Hans-Jürgen Urban (IG Metall) und Andreas Keller (GEW), kritisierten die unausgewogene Zusammensetzung des Akkreditierungsrats. „Schon jetzt unterbindet die absolute Professorenmehrheit in Hochschulsenaten und Fakultätsräten einen fairen Interessenausgleich. Es ist ärgerlich, dass dieser Mehrheitsautomatismus auf den Akkreditierungsrat übertragen wurde“, sagte der stellvertretende GEW-Vorsitzende Keller. Er kritisierte, dass ausschließlich Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer als Vertreter der Wissenschaft gälten – nicht aber wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zudem dürften ausgerechnet bei der Akkreditierung von Lehramtsstudiengängen keine „echten“ Vertreterinnen und Vertreter der Berufspraxis an den Gutachtergruppen vor Ort mitwirken.

„An die Stelle von Schulleiterinnen oder Lehrkräften treten Repräsentanten der obersten Schulbehörde, so ist die Vorgabe der Musterrechtsverordnung der Kultusministerkonferenz. Wir fordern die Länder auf, in ihren Rechtsverordnungen Lehrkräfte als zusätzliche Berufspraxisvertreterinnen und -vertreter vorzusehen“, sagte Keller. Der Vorsitzende des Akkreditierungsrats, Reinhold Grimm, schloss sich in Budenheim der GEW an: „Es war ein Fehler, Lehrerinnen und Lehrer bei der Begutachtung von Lehramtsstudiengängen nicht zu berücksichtigen.“

Zur Frage, wie die große Zahl an Akkreditierungsanträge in den kommenden Jahren bewältigt werden kann, äußerte sich IG Metall-Vorstandsmitglied Urban skeptisch: „Der Akkreditierungsrat hat das Problem erkannt – aber längst noch nicht gebannt.“ In den kommenden Jahren werde sich zeigen, welche Gestaltungsmöglichkeiten sich für die Gewerkschaften im engen Rahmen des neuen Akkreditierungssystems ergeben.“

Eine Debatte über die Qualität von Lehre und Studium ist ohne den Streit um die Bologna-Reformen nicht denkbar. So wurde auf der Wissenschaftskonferenz mit Gästen aus dem Ausland die Perspektive der Qualitätsentwicklung im europäischen Hochschulraum diskutiert.

„Die Promotion ist die erste Phase wissenschaftlicher Berufstätigkeit.“ (Jens Vraa-Jensen)

Andrea Blättler von der Goethe-Universität Frankfurt am Main, außerdem Mitglied im Komitee des europäischen Registers der Qualitätssicherungsagenturen EQAR, diskutierte mit Jens Vraa-Jensen von der europäischen Dachorganisation der Bildungsgewerkschaften ETUCE und Caroline Sundberg, bis vor kurzem Vizepräsidentin des europäischen Zusammenschlusses der Studierendenorganisation ESU, über die Ergebnisse der Konferenz der europäischen Wissenschaftsministerinnen und -minister im Mai 2018 in Paris. Der Bologna-Prozess habe an Schwung eingebüßt, der Anspruch der Bildungsziele, die für den tertiären Bildungssektor formuliert werden, hinkten der Realität weit hinterher, lautete das Fazit von Blättler.

Mit der sozialen Dimension des Hochschulraums, der studierendenzentrierte Lehre, der Sicherung der akademischen Freiheit als einem Grundwert der Bologna-Reform und einer förderlichen Umgebung von Hochschulbeschäftigten sei es aber Bildungsgewerkschaften und Studierendenvertretungen gelungen, wichtige Zielsetzungen auf der Bologna-Agenda zu verankern. Eine klare Absage erteilte Vraa-Jensen dem Verständnis von der Promotion als dritter Phase des Studiums nach Bachelor und Master: „Die Promotion ist die erste Phase wissenschaftlicher Berufstätigkeit, Doktorandinnen und Doktoranden sind daher keine Studierenden, sondern Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.“

„Gute Hochschulbildung und gute Arbeit sind zwei Seiten einer Medaille.“ (Andreas Keller)

Krönender Abschluss der 10. GEW-Wissenschaftskonferenz war eine Debatte über die Digitalisierung der Hochschulbildung, in die Medienpädagogin Sandra Hofhues von der Universität zu Köln einführte. Sie arbeitete heraus, dass „Digitalisierung“, eines der „Plastikwörter“ unserer Zeit, kein Naturgesetz sei, sondern ein Prozess, den es zu gestalten und kritisch zu begleiten gelte. In der Lehre sollte unmittelbare Erfahrung mit Medien mit der kritischen Reflexion des Medieneinsatzes verbunden und zugleich als soziale Erfahrung erlebt werden können, so Hofhues.

Als Fazit der Wissenschaftskonferenz hielt GEW-Vize Andreas Keller fest: „Die Qualität von Lehre und Studium kann nicht top-down dekretiert werden, sondern wird in einer sozialen Interaktion zwischen Lehrenden und Studierenden vor Ort im Hörsaal und Seminarraum erzeugt.“ Aufgabe der GEW sei es, auf günstige Rahmenbedingungen dafür zu dringen. Dazu gehörten eine nachhaltige Hochschulfinanzierung und bessere Betreuungsrelationen zwischen Lehrenden und Studierenden ebenso wie eine angemessene Fort- und Weiterbildung der Lehrenden, eine wirksame Partizipation von Studierenden und Gewerkschaften sowie faire Beschäftigungsbedingungen und verlässliche Karrierewege. „Denn gute Hochschulbildung und gute Arbeit sind zwei Seiten einer Medaille“, so Keller abschließend.

Das ist auch der Tenor des Budenheimer Memorandums, das der Geschäftsführende Vorstand aus Anlass der GEW-Wissenschaftskonferenz vorlegte. Kernforderung des Memorandums ist ein neuer Hochschulpakt, der den in zwei Jahren auslaufenden Hochschulpakt ersetzen soll. Der neue Hochschulpakt müsse verstetigt, kräftig aufgestockt und regelmäßig erhöht werden. Außerdem müsse der Pakt im Sinne einer „Entfristungsoffensive“ für mehr Dauerstellen für Daueraufgaben in der Lehre sorgen, fordert der GEW-Vorstand im Budenheimer Memorandum. Auf dem 9. Follow-up-Kongress zum Templiner Manifest am 8. November 2018 in Berlin wird die GEW das Budenheimer Memorandum in der Hauptstadt vorstellen und mit Vertreterinnen und Vertretern des Bundes und der Länder diskutieren